Vom Abwasserkanal zum Atlantik

In diesem Beitrag wollen wir etwas über die Motive und Beweggründe für unsere Reise erzählen. Wir haben uns vor 16 Jahren kennengelernt als Niclas die Sommerferien mit seiner Familie in Hooksiel verbrachte. Und bei zwei Jungs mit den selben Flausen im Kopf dauerte es nicht lange, bis sich eine echte Freundschaft entwickelte. So kam es zu der Tradition, dass jedes Jahr Sylvester zusammen gefeiert wurde und auch die Sommerferien des Öfteren in Hooksiel verbracht wurden. 


Wir können uns gut an einen Tag erinnern - wir waren etwa 12 Jahre alt - an dem wir uns im Sommer das „Tagesziel“ gesetzt haben, ein etwa 20 Meter langes Abwasserrohr hinter Andrés Garten zu durchqueren. In dem Rohr stand Knie hoch Schlamm und wir befürchteten Ratten und allerlei anderes Ungeziefer in dem Kanal. Also rüsteten wir uns voll aus: Kopflampen, Gummistiefel verlängert mit gelben Säcken und Panzerband, Stöcke sowie eine gehörige Portion Mut sollten es richten. Wir gingen etwa 10 Meter tief durch das Rohr bevor uns letzterer verließ und wir entschieden umzukehren. Aber am nächsten Tag fanden wir ein neues Ziel und das Wagnis des Vortages - erfolgreich oder nicht - hatte uns ein Stück weiter gebracht. 


10 Jahre später kamen wir an Sylvester mehr betrunken als ernst auf die Idee eine längere Segelreise zu unternehmen. Aber in den folgenden Wochen und Monaten wuchs der einmal gesähte Keim zu einem großen Traum. Aus dem Tagesziel wurde ein Jahresziel. Die Idee vom Aussteigen, mal was ganz anderes zu tun, den Alltag hinter uns zu lassen und ins Abenteuer aufzubrechen hatte uns beide gepackt. 10 Jahre völlig unterschiedliche Entwicklung ließ die beiden Pioniere des Abwasserkanals im Herzen unberührt. Dazu kam, dass sowohl Andrés, als auch Niclas Opa beide begeisterte Segler und große Vorbilder waren, denen wir in vielen Dingen bis heute nachstreben.


Gerade sitzen wir bei strahlendem Sonnenschein, 25 Grad und bestem Rückenwind, der die Running Deer immer weiter voranbringt vor der Küste Frankreichs und diskutieren, ob wir Le Havre anlaufen oder weiter den Wind nutzen und segeln sollen. Keine der beiden Möglichkeiten ist schlechter als die andere, was die Entscheidung für das „Richtige“ denkbar einfach macht. Es wird wohl Cherbourg werden - aber wer weiß das schon so genau, außer der Wind allein. Unser Wagnis hat sich bis hierhin erneut ausgezahlt und das Leben belohnt uns für die Strapazen der letzten Monate und Jahre. Die schier unendlichen Stunden die insbesondere André aber auch Niclas in seinem Urlaub am Boot verbracht haben und all die Organisation werden in diesem Moment und den letzten Tagen mit unzähligen traumhaft schönen Erlebnissen und wunderbaren Erfahrungen belohnt. 


Was sind also unsere Motive für diese Tour? Genau die Freiheit, die wir in diesem Moment verspüren, der kalte Wind in unserem Haar (das bei Niclas zurzeit noch etwas kürzer ist), das Salz auf der Haut, die sich im kristallklaren Wasser spiegelnde Sonne, die imposanten Klippen von Dover und Calais zur linken und rechten, die absolut bescheuerten Gespräche mit unseren Mitseglern, die Aufregung jede Minute etwas neues zu entdecken, natürlich auch der eiskalte Cola-Rum und so vieles mehr, was wir uns vorher weder vorgestellt haben noch hätten vorstellen können, haben uns genau zu diesem Moment an diesen Ort verbracht.


Gerade den Alltag hinter uns lassen zu können - Andrés Schichten auf der Mellum und Niclas täglichen Besuche im rechtswissenschaftlichen Seminar und diversen Hörsälen - war unser Antrieb in den letzten vier Jahren, um alle Schwierigkeiten zu überwinden und immer weiter auf unsere Reise hinzuarbeiten. Die Suche nach dem Abenteuer und das Nichtwissen, was uns morgen erwarten wird, waren und sind der Reiz, den dieses Jahr für uns ausmacht und der uns weiter antreibt. 


Und dieses Mal gehen wir auch die letzten 10 Meter! Denn die Vergangenheit hat uns vieles gelehrt, die Gegenwart gibt uns alles zurück und die Zukunft schreibt der Wind für uns!


Wir freuen uns, dass ihr unsere Reise verfolgt und uns so wunderbar unterstützt! Wir hoffen auch euch mit diesem Blog und unseren Erlebnissen inspirieren zu können, selbst mal aus dem „Daily Struggle“ auszubrechen und etwas Neues zu wagen. Denn wer das Unbekannte als Freude begreift und ihm nicht mit Furcht entgegensieht, wird mit der Frucht der Entdeckung belohnt, die zwar auch mal bitter schmecken kann, aber im schlimmsten Fall eine Erfahrung bietet, die besser ist als das Alltägliche! 


André und Niclas 

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Kommentare: 6
  • #1

    Jürgen (Samstag, 25 Juli 2020 17:25)

    Schön geschrieben, tolle Fotos!

  • #2

    Fahly (Samstag, 25 Juli 2020 22:58)

    André alles Gute und viel Spaß bei der Atlantikrunde.

  • #3

    Denise (Samstag, 25 Juli 2020 23:15)

    Gute Reise, Jungs! Kommt gut und sicher hin und zurück. Und immer die obligatorische handbreit Wasser unterm Kiel.

  • #4

    Petra Schauer (Sonntag, 26 Juli 2020 16:55)

    Viele liebe Grüße von Mutti und mir - toller Reisebericht!! �☀️�

  • #5

    Carsten (Sonntag, 26 Juli 2020 19:18)

    Viel Erfolg und haltet durch!

  • #6

    JP (Montag, 27 Juli 2020 14:42)

    Tolles Motto - Offen sein für Neues!
    Ich wünsche euch beiden eine gute und sichere Reise, viel Spaß und vor allem spannende und unvergessliche Momente! :)