Frankreich/Saint Malo

Nach dem ersten Tag in der Ankerbucht bei Cherbourg wollten wir eigentlich weiter in Richtung Brest segeln. Aber der Wind hatte wieder einmal andere Pläne für uns. Vorausgesagte 30-40 Knoten Wind gegen 6 Knoten Strom ließen eine sichere Ausfahrt aus unserem kleinen Paradies nicht möglich erscheinen. So verbrachten wir einen weiteren Tag vor Anker im kleinsten Hafen Frankreichs, Port Racine, und nutzten das schlechte Regenwetter, um einige Reparaturen wie insbesondere die Montage eines neuen Kompasses vorzunehmen. Abends klarte der Himmel auf und es ging auf eine weitere Entdeckungstour aufs Festland. Und auch diese bot wieder allerlei traumhafte Ausblicke von den felsigen Klippen der Normandie auf die Weiten von Meer und Land. 


Am nächsten Tag war der Wind etwas schwächer vorhergesagt und wir wagten uns in aller Frühe aus dem schützenden Windschatten der Ankerbucht raus auf die hohe See, um die Strömungen für uns zu nutzen. Dabei unterschätzten wir jedoch bei Westwind den Kapeffekt am Cap de la Hague und gerieten nun doch in den Hexenkessel, den wir am Vortag noch erfolgreich gemieden hatten. So brach eine 3 Meter hohe und nur sehr kurze Welle immer wieder über uns herab und sorgte dafür, dass sich in der Küche nichts mehr an seinem Platz halten konnte. Aber es wäre ja einfach, wenn es bei der Küche geblieben wäre. Während die Wellen unsere gute Running Deer hin und her warfen, löste sich die Schraube vom Ruder - der denkbar ungünstigste Zeitpunkt um manövrierunfähig zu werden! Doch mit viel Fingerspitzengefühl und der nötigen Kraft konnte die Verkleidung des Steuerrads gelöst und die Schraube wieder festgezogen werden. Nach etwa einer Stunde konnten wir das Kap passieren und die See war uns nun wieder deutlich wohlgesonnener. Strom und Wind brachten uns im Rekordtempo die verbleibenden 65 Meilen bis Saint Malo. Dabei ließen wir die englischen Kanalinseln, in denen uns die Einreise leider coronabedingt verwehrt blieb, an Steuerbord liegen und konnten zumindest von See aus die Schönheit Jerseys erahnen. Diese in ihrer ganzen Pracht zu erleben, wird allerdings unserer Heimreise im nächsten Jahr vorbehalten bleiben!


In Saint Malo am späten Nachmittag bei strahlendem Sonnenschein angekommen hängten wir rasch unsere noch vom Morgen durchnässten Kleider zum Trocknen auf, bevor wir uns an die Erkundung der Stadt machten. Und wieder einmal eröffnete sich für uns eine Welt voller Wunder. Saint Malo, eine Stadt mit langer Geschichte, die im zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstört, aber originalgetreu wiedererrichtet wurde, war geprägt von mittelalterlichen Stadtmauern und traumhaften Steinhäusern zwischen denen sich enge Gassen und jede Menge Bars und Restaurants erstreckten. Über den Dächern der Stadt konnte man die unzähligen Buchten und Felsen, die Saint Malo zum größten Schiffsfriedhof des Ärmelkanals machen, bewundern. Und alles war belebt, die Menschen flanierten durch die Straßen, schlemmten in den Restaurants und lachten in den Bars. Ein das Herz wahrlich erquickender Anblick! 


Wir durchstreiften die Straßen der Stadt noch bis in die Nacht, bevor wir nach dem langen Tag, an dem wir es vom kleinsten Hafen Frankreichs durch den Sturm bis zum größten Schiffsfriedhof des Ärmelkanals geschafft hatten, erschöpft, aber begeistert von den Eindrücken der letzten Stunden in unsere Kojen fielen. Am nächsten Morgen wurden wir wieder von der Sonne geweckt. Zunächst hieß es die letzten Anzeichen des Sturmes vom Vortag zu beseitigen, bevor wir uns um die Wäsche und den Einkauf kümmerten und eine Freundin aus Wilhelmshaven, die uns die nächsten Tage begleiten wird und sich in der Bretagne bestens auskennt, trafen. 


Bei der Planung für die nächsten Tage waren wir uns einig, dass wir noch mehr von Saint Malo sehen wollten. Nach einem kurzen Blick auf den Wetterbericht wurde aber schnell klar, dass der Wind uns lieber auf dem Wasser haben wollte. Und da es uns bis hierhin gebracht und sich bisher noch keinen Irrtum erlaubt hatte, hörten wir auch dieses Mal wieder auf das Rauschen in unseren Ohren und brachen in Richtung Brest auf. 


Dort werden wir hoffentlich bis Freitag ankommen und dann von einem weiteren Mitsegler verstärkt werden, um sodann mal etwas länger an ein paar Orten zu verweilen, bevor wir bei einem passenden Wetterfenster die Biskaya in Angriff nehmen werden! 


Tipp für Besuche in Saint Malo: Probiert die lokale Spezialität Moules Frites! 


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Kommentare: 1
  • #1

    Stefan Sopke (Donnerstag, 30 Juli 2020 21:02)

    Ein wunderbarer Bericht und schöne Bilder.