Frankreich/Biskaya

Bereits kurz nach unserer Abreise aus Frankreich zogen tief schwarze Wolken vor uns auf und in einiger Entfernung zerrissen Blitze und Donner den pechschwarzen Himmel. Wir hofften, hinter den Gewitterwolken vorbeifahren und den Wind auf der Rückseite nutzen zu können. Doch entwickelte sich die Zugrichtung der Wolken anders als wir es erwartet hatten und plötzlich befanden wir uns mitten in einem gewaltigen Hitzegewitter. Die Wärme, die wir die vergangenen Tage noch so sehr genossen hatten, präsentierte uns nun die Quittung für das sonnige Leben auf dem Archipel de Glenan. Nur wenige hundert Meter neben uns schlugen Blitze in die zaudernde See und wir versuchten unser Schiff im Starkregen so gut es ging aus der Naturgewalt heraus zu navigieren. In diesem Moment der Machtlosigkeit bewies André große Ruhe und ermutigte damit auch den Rest der sichtlich verängstigten Crew. Uns war zu jederzeit bewusst, dass auf unserer Reise derartige Situationen aufkommen können und doch führte die Natur uns nun eindrucksvoll unsere eigene Bedeutungslosigkeit vor Augen. Auch wurde uns bewusst, dass wir noch einiges an unserer Wetterplanung zu verbessern haben, obwohl dieses plötzlich auftretende Hitzegewitter wohl nur schwer vorherzusehen war. Nach etwa zwei Stunden konnten wir mit Glück und einigem Geschick das Unwetter hinter uns lassen und den anhaltenden Wind nutzen, um tief in die berüchtigte Biskaya vorzudringen. Vom schwach vorhergesagten Wind war zu Beginn der Überfahrt nicht viel zu bemerken. So unschön das Gewitter auch war, es brachte uns zumindest den sehnlich erhofften und dringend benötigten Wind. 


Dieser sollte allerdings nicht lange anhalten und bereits in der ersten Nacht kam Flaute auf, die uns einige Stunden zwang, die Segel einzuholen und unter Maschine weiterzufahren. Die Biskaya wurde ihrem unberechenbaren Ruf voll gerecht und so nahm der Wind immer wieder zu und ab und drehte in alle Richtungen. Während der 3-tägigen Überfahrt kamen wir so auf Windstärken zwischen 3 und 30 Knoten, die aus allen Himmelsrichtungen kamen und ein ständig aktives Segeln erforderlich machten. Dabei drehte der Wind nach etwa anderthalb Tagen konstant in unsere Fahrtrichtung Südwest und zwang uns letztlich dazu, das ursprüngliche angepeilte Ziel A Coruna aufzugeben und das etwa 120 Seemeilen weiter östlich gelegene Gijon anzusteuern. Zudem führte der Amwindkurs dazu, dass sich jedes Mal, wenn der Wind wieder zunahm eine kurze steile Welle aufbaute, die unserem Schiff so gar nicht gefiel. Unsere Reise wechselte daher zwischen Flauten und donnernden Schlägen in die zerhackte See. Eine absolute Belastungsprobe für Schiff und Besatzung, die aber dank einem englischen Wachsystem mit zwei Mann als Wachgängern und Schichtwechseln alle 3 Stunden in der Nacht und alle 4 Stunden am Tag gut bewältigt werden konnte. 


Am zweiten Tag nach ca. 80 zurückgelegten Meilen fingen wir unseren ersten Fisch auf dieser Reise. Ein wahrliches Erfolgserlebnis, das das Gewitter vom Vortag schnell vergessen 

ließ und die Besatzung trotz der schwierigen Wetterverhältnisse zusehends motivierte! Es stellte uns jedoch auch vor das Problem, was man mit so einem Fisch überhaupt machen sollte. Ohne Internetempfang oder sonstige Quellen gar keine so einfache Angelegenheit. Also versuchten wir einfach unser bestes und konnten bereits 30 Minuten nach unserem großen Fang ein frisch gebratenes Fischfilet genießen! 


Der Bordalltag bestand aus einigen Segelwechsel, die aufgrund der unbeständigen Windverhältnisse erforderlich waren, Schlafen, Lesen, Kochen, Computer spielen und trocknen des immer wieder vom Regen durchnässten Ölzeugs. Eine Pause auf dem Vorschiff gönnte uns die tosende See dabei, anders als noch im Ärmelkanal, nur selten. Langeweile kam aufgrund der hohen Belastung durch das schaukelnde Schiff und die jederzeit erforderliche volle Konzentration auf den Segeltrimm und die Wetterverhältnisse jedoch nicht auf! 


Am dritten Tag zeigte sich die Biskaya nach langer Flaute endlich versöhnlich und nachdem wir zunächst hart am Wind segeln mussten, fiel der Wind etwas raumer ein und die Wellen ließen nach, sodass wir die letzten Meilen nach Gijon bei sonnigem Wetter in die Nacht hinein zurücklegen konnten! Spanien erschien uns wohl gesonnen! Zwar wurde das Ziel, Gijon bei Tage zu erreichen verfehlt, doch waren wir nach der anstrengenden Überfahrt froh, Spanien so rasch erreicht zu haben! 


Diese Etappe war bisher die anstrengendste unserer Reise und forderte sowohl der Psyche als auch der Physis und insbesondere unserem Schlafrhythmus große Opfer ab. Die Biskaya wurde zu unserem Bedauern ihrem Ruf gerecht und die vorhergesagte Wetterverhältnisse waren fernab der Realität auf der rauen See. Auch auf diesem Abschnitt konnten wir wieder viel über uns selber und unser Schiff lernen und Dank der tatkräftigen Unterstützung von Jan und René die erste richtige Hochseeetappe unserer noch jungen Reise erfolgreich bewältigen! 


Die nächsten Tage werden wir die spanische Nordküste erkunden und dabei hoffentlich viel Sonne zu sehen bekommen, da sich insbesondere unsere beiden Mitsegler nach den kräftezehrenden letzten Tagen noch etwas Urlaub verdient haben, bevor sie uns am Wochenende wieder verlassen werden. Danach wird es zu zweit weiter Richtung Porto gehen, wo wir Ende des Monats erneut Janscheck begrüßen dürfen, der mit uns den Weg zu den Kanaren antreten wird.


Wir freuen uns auf die spannende Zeit, die uns in Spanien und Portugal erwartet!


Que sera! 


André & Niclas 




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Kommentare: 1
  • #1

    Ute (Dienstag, 18 August 2020 19:37)

    Spannender Bericht und tolle Fotos! ���