Frankreich/Lorient & Inselhopping

Noch während der magischen Nacht in der Baie de Douranenez entschieden wir uns, den ursprünglichen Plan wieder aufzugreifen und die Ile de Sein anzusteuern. Wir segelten gemütlich durch die sternenklare Nacht und sahen dabei zu, wie unsere Running Deer ihre Bahnen durch die spiegelglatte See zog. Am Mittag des nächsten Tages erreichten wir die Ile de Sein. Trotz der kurzen Nacht waren wir voller Tatendrang und machten uns sofort auf Erkundungstour über die kleine Insel - Niclas umrundete die steinigen und sandigen Küsten im Laufschritt und brachte es so immerhin auf 11 Kilometer, während André und unsere beiden Mitsegler, Sophie und René, es etwas entspannter angingen und eine Tanzeinlage auf einer größeren Felsformation einlegten. Abgerundet wurde die Entdeckung der Ile de Sein mit einer Kletterpartie durch und über die zerklüfteten Felsen der Insel. 


Gegen Mittag brachen wir nach Penmarch auf, wo wir am Abend noch einmal mit unseren französischen Freunden aus Brest auf einem Campingplatz verabredet waren. Wir legten in einem sonnigen Tagestörn etwa 20 nautische Meilen zurück und die Delfine waren von nun an unsere ständigen Begleiter. In Penmarch angekommen warfen wir den Anker und verbrachten den Rest des Tages auf dem Vorschiff bevor es abends zum Campingplatz ging. Dieser Abend verlief deutlich gesitteter als unsere vorherigen Begegnungen mit den Landsleuten der Bretagne. Und bei der Verabschiedung erhielten wir ein ganz besonderes Geschenk. Stephan - ein französischer Gendarm - gab uns als Andenken an die gute Zeit ein echtes Gendarmerie TShirt! Eine wirklich schöne Erinnerung an unsere gemeinsamen Tage und Nächte in Brest, Douarnenez und Penmarch. Im Freudentaumel tanzten wir durch die Nacht zurück zu unsrem Boot und genossen am Strand noch etwas den Sternenhimmel. 


Am nächsten Morgen verließ uns Sophie, die uns die ganzen tollen Begegnungen in Brest erst ermöglicht hatte, sodass es zu dritt weiter Richtung Lorient ging. Doch die Bedingungen waren schlecht und wir hatten kaum Wind. Daher entschieden wir uns wie immer das beste aus der Situation zu machen, schnallten uns das Wakeboard unter die Füße und surften unter Motorenantrieb am Großfall hinter unserem Schiff. Für Niclas und René, die beide noch nicht wirklich erfolgreich auf einem Wakeboard gestanden haben, war es eine sehr erfolgreiche Lehrstunde, die jedoch in Sachen Eleganz natürlich nicht an Andrés herausragende Sprünge und Tricks auf dem Board herankommen konnte. Nach diesem Wasserspaßerlebnis zeigte sich der Wind etwas versöhnlicher und wir konnten unsere Reise unter Segeln fortsetzen. Da die Bedingungen aber immer noch nicht wirklich überragend waren und wir noch bis zum nächsten Abend Zeit hatten, um Andrés Bruder Jan in Lorient einzusammeln, legten wir eine Pause vor Anker auf der Ile de Saint Nicolas einer kleinen Insel im Archipel de Glenan etwa 6 Meilen vor der französischen Küste ein. Und die Insel sollte ihrem Namenspatron und seinen beiden Begleitern jeder Menge unvergessliche Erlebnisse bescheren! 


Nach einem Sonnenbad inklusive Cola-Rum auf dem Vorschiff wurde am frühen Abend erneut unter Rudereinsatz zur Insel übergesetzt, da der Außenborder weiterhin defekt war. Einem Barbecue am Strand folgte zunächst die Ernüchterung, dass es auf der ganzen Insel eigentlich nur eine Kneipe und ein Restaurant gab. Allerdings schaffte es André mit seiner unvergleichlich offenen Art (Als kleines Exempel sei nur folgendes Zitat angeführt: „Do you know Hornbach? Everybody knows Hornbach.“) schnell Kontakt zu den Inselbewohnern herzustellen und so freundeten wir uns noch am gleichen Abend mit den meisten Einheimischen des kleinen Archipels an. Natürlich blieb es nicht bei einem Bier und auch nicht bei zwei und die Freude über die neuen Freundschaften eskalierte ein kleines bisschen. So musste André aufs Boot getragen werden, Niclas fiel bei der Rückkehr zum Boot samt Andrés neuem Handy vom Schlauchboot ins tief schwarze Wasser und René ging trotz umfassender Suchaktion gar vollständig verloren. Am nächsten Morgen wurde Niclas von Rufen aus Richtung des Strandes geweckt und konnte nachdem er wieder in der Lage war, seine Augen zu öffnen René halbnackt am Strand entdecken. Die Bestandsaufnahme am Mittag brachte einiges an Ernüchterung. René hatte das Gendarmerie Shirt von Stephan (Spitzname „Le Maitre“ oder „Saint“ aufgrund seines einzigartigen Charmes) verloren und war bei Niedrigwasser auf eine andere Insel des Archipels gelangt, wo er oberkörperfrei am frühen Morgen erwachte und dann noch 5 Stunden warten musste bevor es auch Niclas wieder aus dem Schlaf riss. Zudem erzählten uns die Inselbewohner, dass bereits des Öfteren KO-Tropfen in der Bar verteilt wurden, was unseren heftigen Absturz erklären könnte. Der Verlust des Shirts war ein herber Rückschlag und auch Andrés Handy war nicht mehr zu retten. Nach einem kurzen Besuch in der Bar vom Vorabend bei dem wir von unseren neuen Freunden sehr gefeiert wurden, verließen wir die Insel der Sirenen, um Jan in Lorient aufzunehmen.


Wir erreichten Lorient nach einem sonnigen Katertag inklusive erneuter Begleitung durch unsere neugierigen Flossenfreunde in der Nacht zeitgleich mit Jan. Bereits bei der Einfahrt in Lorient konnten wir den Yachthafen „La Base“ bestaunen. Dieser beherbergt einige der größten und schnellsten Yachten der Welt und so kam insbesondere André beim „Bootegucken“ voll auf seine Kosten. Aber auch die einheimischen Segler staunten nicht schlecht, als sie erstmals in ihrem Leben das sportliche Rigg der berüchtigten Comanche 32 bewundern durften! 


Die zwei Tage Aufenthalt in Lorient wurden vor allen Dingen genutzt, um das Schiff seeklar für die Biskaya zu machen und einige aufgeschobene Reparaturen nachzuholen. So wurde ein Großeinkauf getätigt, die Wasserkühlung des Außenborders wieder intakt gesetzt, die Befestigung der Solarpanele verstärkt, die Handgriffe neu lackiert, die weiteren zwei Wassertanks achtern gesäubert und angeschlossen, die Frischwasserfilter gewechselt und einiges mehr. Ein hervorragender Start in Jan’s Urlaub, der bisher mehr Zeit mit arbeiten als mit segeln auf der Running Deer verbracht hat. Eine Tatsache, die sich allerdings bald ändern sollte. An dieser Stelle ein riesiges Dankeschön dafür und auch an Andrés Vater Didi, der uns in den letzten beiden Jahren ohne zu Zögern etliche Stunden mit seinen umfassenden Handwerkskünsten unterstützt hat! Ohne euch beiden wäre die Vorbereitung sicherlich deutlich schwieriger geworden. Neben den Arbeiten am Boot schauten wir uns La Base und einen Teil von Lorient noch einmal im Hellen an und verfolgten eifrig den Wetterbericht für die Biskaya. Letzterer war wenig erfolgversprechend, sodass wir uns entschieden erneut zur Insel der Sirenen aufzubrechen, um die Wartezeit auf ein Wetterfenster mit unseren neuen Freunden und den Inselschönheiten zu überbrücken. 


Aber der Wind mahnte uns vor einer voreiligen Rückkehr und so fuhren wir zunächst nur bis zur Ile de Groix um eine weitere Ankerbucht zu erkunden. Auch dieses Mal lag unser altweiser Ratgeber genau richtig und bescherte uns einen traumhaften Abend mit Barbecue, Lagerfeuer und Stockbrot am schneeweißen Strand der Ile de Groix. Für Jan schien nun endlich der Urlaub zu beginnen. Am nächsten Tag herrschte Uneinigkeit über die Frage, ob wir unsere Reise in Richtung der Ile de Saint Nicolas fortsetzen oder lieber ein anderes Ziel anlaufen sollten. Jan und der Wind präferierten letztere Lösung, aber nachdem wir die Nachricht erhielten, dass unser verloren geglaubtes Gendarmerieshirt wieder aufgetaucht ist, ließen wir uns wie einst die Männer Odysseus‘ entgegen der Vernunft dazu verleiten die Insel der Sirenen gegen Wind und Welle durch einen ganzen Tag lang kreuzen in denkbar ungünstigstem Wendewinkel anzulaufen. Doch auf unser Schiff war wie immer Verlass und wir erreichten die Insel sicher am späten Abend. Im Starkregen setzten wir - nun wieder mit Außenborder - gegen 23 Uhr zur Insel über, um dort die letzten paar Gäste aus der Kneipe taumeln zu sehen und die Sperrstunde gerade zu verpassen. Aber Andrés Improvisationstalent und unsere Bluetoothbox retteten auch diese Nacht und so wurde kurzerhand in strömendem Regen am Strand getanzt und gesunken. Ein absolutes Highlight unserer Reise! Der zweite Abend auf der Insel verlief weniger Verlustreich als unser erster Versuch - niemand und nichts ging verloren, keiner fiel ins Wasser oder musste zum Boot getragen werden und es waren auch keine KO-Tropfen im Spiel - und entschädigte uns für die Strapazen des Tages in jeder Hinsicht! Außerdem konnten wir endlich das so schmerzlich vermisste Gendarmerieshirt wieder in unsere Arme schließen. 


Doch die Insel der Sirenen hätte nicht diesen Kosenamen von uns erhalten, wenn ihr Bann, aber vor allem auch der schlechte Wind für eine Biskayaüberquerung, uns dort festgehalten hätten. Wir verblieben also zwei weitere Tage ohne wirklichen Plan auf der Insel, erkundeten auch das restliche Archipel und feierten erneut in der Bar und am Strand. So waren wir schnell sehr bekannt auf der Insel und kannten mittags und abends in der Bar nahezu alle anderen Gäste. Auch das gute Englisch der Inselbewohner ermöglichte ein erstes richtiges Kennenlernen mit gleichaltrigen Franzosen. Am Samstagmittag den 15.08. wurde uns jedoch bewusst, dass wir trotz der vielen schönen Erfahrungen nicht auf der Insel versacken durften und den Bann der Sirenen brechen mussten. Und so entschieden wir uns mit viel Wehmut unser Abenteuer trotz schwach vorgesagtem Südwestwind über die berüchtigte Biskaya in Richtung Spanien fortzusetzen. Ein Aufbruch ins absolute Ungewisse, der anzutreten jedoch unerlässlich war, denn seit Beginn unserer Reise gab es nur eine richtige Richtung, der wir nun endlich folgen konnten: Kurs Süd, 180 Grad. Wir machten also die Running Deer seeklar und verabschiedeten uns von Frankreich.


Noch lange nach dem Ablegen konnten wir die Inseln des Archipels am Horizont sehen und ein leichter Regen plätscherte auf uns herab, als wäre der Himmel über Frankreich traurig ob unserer Abreise. Doch zeigte sich bei Beginn der Biskayaüberquerung rasch wie schnell Trauer in Wut umschlagen kann und unser Hochmut der letzten Tage sollte uns eine Lektion erteilen! 


Von diesem Erlebnis und der weiteren Biskayaüberquerung werden wir hoffentlich in einigen Tagen aus Spanien berichten. Bis dahin legen uns die Weiten des Atlantiks zunächst Funkstille auf. Keiner von uns kann sich daran erinnern, wann er das letzte mal mehrere Tage ohne jeglichen Kontakt zum Rest der Welt war - eine weitere Erfahrung um die diese Reise unser Leben bereichern wird.


Bis dahin senden wir Grüße in die mittlerweile bereits sehr entfernte Heimat 


André & Niclas 

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Kommentare: 1
  • #1

    Ute (Dienstag, 18 August 2020 19:52)

    Du meintest bestimmt den Samstag den 15.8. - wir haben schon August ��