Spanien/Galicien I

Nach Bezwingung der Biskaya war es an der Zeit das nordspanische Gijon zu erkunden und auch mal einen entspannten Strandtag einzulegen. Mit 32 Grad war das Wetter dafür bestens vorhergesagt. Gijon begeisterte uns sofort mit seinen kleinen Gassen und altertümlichen Steinhäusern zwischen denen eine Vielzahl von Bars und Restaurants eine gesellige Atmosphäre entfalteten. Wir fühlten uns an das traumhafte Stadtbild und bunte Treiben in Saint-Malo erinnert. Dies war trotz des guten Rufs, den die Spanier in dieser Hinsicht genießen, keineswegs zu erwarten, denn während unserer Abgeschiedenheit auf der Biskaya wurde das Sonnenparadies im Südwesten Europas erneut zum Risikogebiet erklärt und es galten wieder strenge Restriktionen für das öffentliche Leben. So mussten wir uns zunächst sehr daran gewöhnen, dass an jedem Ort, auch im Freien, eine Maske getragen werden musste. Und man merkte den Einheimischen die Angst vor einem erneuten Lockdown auch an, denn wann immer wir die Maske nur kurz vergaßen, wurden wir schnell durch mahnende Blicke und Worte an die neuartigen Pflichten erinnert. Dennoch ließen sich die Spanier ihre Freude am Leben nicht nehmen und so waren die Restaurants und Bars zu nahezu jeder Tages- und Nachtzeit gut gefüllt und verbreiteten einen einzigartig weltoffenen und geselligen Charme! 


Wir genossen spanischen Schinken von dem André am liebsten eine ganze Keule an den Geräteträger unseres Schiffes hängen würde und lernten eine Spanierin kennen, die uns in einer Bar Cidre, einen spanischen Apfelwein, und die besondere Art diesen zu servieren näher brachte. Das schaumige Getränk muss aus großer Höhe von der Flasche ins Glas hinabgegossen werden, damit es seinen Geschmack voll entfalten kann. Ein Balanceakt bei dem ein ordentlicher Schankverlust nicht zu vermeiden ist. Aber dass ein guter Teil des süßlichen Weins den Boden zwischen den Tischen tränkt, sei völlig üblich erklärte man uns und so versuchten auch wir uns mehr oder weniger erfolgreich an der spanischen Art des Weintrinkens. 


Als wir Gijon in der Nacht verlassen wollten kam plötzlich starker Wind auf und wir beschlossen lieber noch bis zum Morgen zu warten und unseren Weg Richtung A Coruña erst in der Morgendämmerung fortzusetzen. Was für das Leben im Allgemeinen gilt, gilt für das Segeln oft umso mehr: Jede Situation kann sich schnell und unerwartet verändern, aber man muss sich darauf einstellen und mit den neuen Umständen umzugehen lernen. Eine Weisheit, die uns der Wind innerhalb der nächsten beiden Tage unmissverständlich vermitteln sollte. Als wir nach einem weiteren Großeinkauf und Füllung der Wasser- und Benzintanks in Gijon aufbrachen, hatten wir bei sonnigem Wetter zunächst nur wenig Wind von vorne. Dieser frischte jedoch immer wieder auf, sodass sich keine Konstanz entwickelte und wir die Segel immer wieder reffen und ausrollen mussten. Aber trotz der ungünstigen Windrichtung erwartete uns ein weiteres Highlight unserer Tour: die Ankel schlug erneut aus und beim Einholen der Beute staunten wir nicht schlecht: ein waschechter - wenn auch kleiner - Hai hatte angebissen! Keiner von uns hätte sich vorstellen können, einen Hai zu fangen. Allerdings war es keine Option den gefährlichen Raubfisch auf ein Bier an Bord einzuladen und so schnitten wir ihn wieder los. Und nicht nur der große Fang, sondern auch die traumhafte Küste Galiciens entschädigte für den schlechten Wind. Direkt aus dem Meer ragten gigantische Berggipfel, die scheinbar unberührt von jedem menschlichen Einfluss vor uns lagen und einen wirklich eindrucksvollen Ausblick boten. Hier werden wir auf jeden Fall noch einmal mit etwas mehr Zeit vorbeikommen, um die wunderschöne Landschaft auch zu Fuß erkunden zu können.


Als der Wind gegen Abend ruhiger wurde, beschlossen wir die große Genua 1 gesetzt zu lassen und nicht für die Nacht sicherheitshalber zur kleineren Genua 3 zur wechseln. Eine Entscheidung, die wir nur weniger Stunden später bitter bereuen sollten. Mit der Dunkelheit nahm auch der Wind immer weiter zu, sodass wir uns gegen bis zu 35 Knoten Wind und Welle durch die Nacht kämpfen mussten. Unser Boot schlug immer wieder in die mächtige Atlantikwelle ein und warf Crew und Inventar hin- und her. An einem Segelwechsel war bei diesen Verhältnissen nicht mehr zu denken und der nächste sichere Hafen war noch einige Meilen entfernt. Nach einer schlaflosen Nacht erreichten wir am Morgen einen Ankerplatz in Cervo, wo wir eine Pause einlegten, um wieder zu Kräften zu kommen. Dabei entdeckten wir, welche gewaltigen Kräfte auf unser Schiff eingewirkt hatten: Die Aluschiene vorne am Netz war vollständig aus den Schrauben gerissen worden. Ein weiterer großer Punkt für die Reparaturliste! 


Nach einem Mittagsschlaf setzten wir mit dem Dinghy zur Stadt über und genossen den Tag an Land. Abends ging es noch zum Fußball gucken in eine Bar: Natürlich waren wir im UEFA-Pokalfinale für das spanische Sevilla, das ein spannendes Spiel gegen Inter Mailand knapp aber verdient für sich entscheiden konnte. Am nächsten Tag brachen wir in aller Frühe zusammen mit der Sonne gen Westen auf. Erneut hatten wir Wind von vorne, aber dieses Mal deutlich weniger, sodass wir entspannter segeln konnten und gegen Mittag drehte der Wind auf Nordost. Nach langer Zeit konnten sowohl die Vorschiff-Lounge als auch der Parasailor endlich wieder ihrem Zweck entsprechend eingesetzt werden . Auf den letzten Meilen schlief der Wind dagegen völlig ein und nachdem wir keinen guten Ankerplatz entdecken konnten, mussten wir die letzten Meilen bis A Coruña unter Maschine bewältigen. Leider kein wirklich würdiger Abschluss für Jan‘s und Rene‘s Segelurlaub, aber auch das gehört dazu. Um Mitternacht liefen wir im Hafen von A Coruña ein und gingen nach einem Anlegerbier zu Bett. 


Am folgenden Tag schlenderten wir durch die Stadt, aßen eine spanische Paella und verabschiedeten unsere beiden Weggefährten, die am Nachmittag mit dem Flieger zurück nach Deutschland aufbrachen. Auch A Coruña war geprägt von einer Mischung aus alten Steinbauten,  schmalen Gassen gefüllt mit Leben, großen Kirchen und Wohnbauten aus den 60-80er Jahren. Zudem scheint die Stadt eine besondere Liebe für Comics zu haben: wir entdeckten Spider-Man an einer Säule über den Dächern der Stadt sowie Asterix und Obelix als Wächter vor dem Rathaus. Nun nur noch zu zweit unternahmen wir noch eine rasante Jetskifahrt, die insbesondere André viel Freude bereitete und ließen den Abend bei unseren Stegnachbarn, einem Dänen und seiner Tochter, die ebenfalls Richtung Karibik unterwegs sind, ausklingen. Ein reger Erfahrungsaustausch und die neuen Freundschaften waren ein perfekter Abschluss für unsere Zeit in A Coruña!


Die nächsten Tage wird es weiter Richtung Vigo gehen, wo wir dringend das Netz reparieren müssen und dann werden wir hoffentlich wieder fully equipped Anfang September Janscheck, Fynn, Niklas und Fabsi in Porto aufnehmen können von wo aus es mit der bisher stärksten Besatzung nach Lissabon gehen wird. 


Bis dahin genießen wir ein paar ruhigere Tage zu zweit mit unserer Running Deer 


André & Niclas 





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