Spanien/Galicien II

Nachdem wir unsere beiden Begleiter am Bus zum Flughafen verabschiedet hatten, sollten eigentlich ein paar ruhigere Tage zu zweit folgen - aber Ruhe scheint weder etwas für die Running Deer noch für ihre Besatzung zu sein! Kurzerhand buchten wir eine Jetskitour durch die Buchten vor A Coruña. Bei ordentlich Seegang hatte insbesondere André seinen Spaß daran, das Wassermotorrad durch die Wellen zu jagen, während sich Niclas als Sozius versuchte. Nach einer Stunde Wasserspaß kehrten wir zum Boot zurück, wo wir noch mit unseren Stegnachbarn aus Dänemark verabredet waren. Die beiden Dänen, Vater und Tochter, befinden sich mit ihrer Elan 43 „Artemis“ ebenfalls auf dem Weg Richtung Kap Verden und wollen von dort über den Atlantik nach Brasilien segeln. Und das Gespann hatte bereits eine Menge Erfahrung gesammelt. Die junge Dänin hatte ihre erste Transatlantik mit nicht einmal zwei Jahren erlebt und ihr Vater war die letzten 15 Jahre in der Karibik segeln und konnte den Atlantik in beide Richtungen mehrfach überqueren. So entwickelte sich ein reger Erfahrungsaustausch über den Niclas sogar das Championsleague-Finale verpasste. Da es uns in die gleiche Richtung zog und der Wind günstig stand verabredeten wir uns für den nächsten Tag in einer Bucht bei Camariñas. 


Es erwartete uns ein entspannter 30 Meilen Trip - allerdings blieb der vorhergesagte Wind aus und so mussten wir die meiste Zeit der Strecke motoren, was uns so gar nicht schmeckte. Gegen Abend erreichten wir die gut geschützte Bucht und schmissen den Anker ins tiefblaue Wasser. Am nächsten Tag staunte Niclas nicht schlecht als er beim morgendlichen Sportprogramm mit einem herzlichen „Moin Moin“ von einem kleinen Schlauchboot aus begrüßt wurde. Neben uns in der Bucht lag ein weiteres deutsches Boot, besetzt mit einem jungen Paar, das den Winter in der warmen Algarve dem frostigen Deutschland vorziehen möchte. Die beiden Rostocker, Matthias und Luisa, waren mit ihrer „Cisco“ in etwa zeitgleich mit uns in Deutschland gestartet und der Wind hatte sie in die gleiche Bucht verbracht wie uns. Erfreut darüber endlich weitere Boote und Gleichaltrige gefunden zu haben, die uns auf unserer Reise begleiten würden, verabredeten wir mit den Crews der Cisco und der Artemis für den Abend ein Barbecue am Strand. Den Tag verbrachten wir mit einer längeren Wanderung rund um den Ria de Camariñas. Lange hatten wir darauf gewartet, die traumhaften Landschaften Galiciens auch von Land aus erkunden zu können und nun nutzten wir den windschwachen Tag optimal aus. Der zweite Abend in der Ankerbucht war mit Fleisch vom Grill, unserer neu gefundenen geselligen Runde und einem Lagerfeuer am Sandstrand genau das, was wir uns von unserer Reise erhofft hatten! Da es den anderen beiden Crews genauso ging, wollten wir auch die nächste Tagestour zum Kap Finisterre gemeinsam bestreiten und über den UKW-Kanal 69 in Kontakt bleiben. 


Am nächsten Morgen erwiesen sich unsere deutschen Weggefährten als echte Frühaufsteher und waren uns bereits eine Stunde voraus, als wir erwachten. So erhielten wir noch in der Bucht den ersten Echtzeitwetterbericht von hoher See über den vereinbarten Funkkanal. Zusammen mit der Artemis brachen wir in den dichten Nebel vor der Küste Galiciens auf. Die Wetterverhältnisse boten eine gute Gelegenheit unser Radargerät einer Belastungsprobe zu unterziehen, die es mit Bravur bestand. Durch den dichten Nebel zu segeln hatte seine ganz eigene Magie. Wie von einer Käseglocke umhüllt mussten wir ständig wachsam sein und fühlten uns als wären wir in einer ganz eigenen Welt, in die nur hin und wieder die Artemis aus dem weißen Nichts hervorgestoßen kam. Auf seine eigene Art und Weise weckte der Nebel in uns erneut den Reiß nach dem Ungewissen, die Lust auf Neues und die Spannung auf die nächsten Sekunden, Minuten, Stunden, Tage, Monate! Und nichts passte besser zu diesem Gefühl als unser nächstes Ziel: Das unter Seeleuten als Meilenstein bewundertere Kap Finisterre. Nach nicht einmal sieben Wochen sollten wir den Ort erreichen, der lange Zeit als Ende der Welt galt. Ein Ort, der wie kaum ein anderer für Entdeckungsgeist und Fernweh steht. Und wie auch die großen Pioniere der Seefahrt nicht glauben wollten, dass hier bereits das Ende sein soll, sind auch wir überzeugt davon, dass unsere Reise gerade erst anfängt! 


Am frühen Abend sahen wir die ersten Felsen des sagenumwobenen Kaps aus dem Nebel hervorstechen. André konnte es kaum erwarten, seinem Opa Bilder von den wenigen sichtbaren Teilen des Kaps zu schicken. Als wir am Kap vorbei in die Bucht vor Finisterre einliefen, lichtete sich der Nebel und uns bot sich erneut ein einzigartiger Anblick. Aus einem dünnen Nebelschleier ragten zu unserer Rechten majestätisch die Berggipfel Galiciens hervor, während zu unserer Linken strahlender Sonnenschein die ganze Bucht in einen rotgelben Glanz hüllte und die wunderschöne Landschaft in das Rampenlicht stellte, das ihr zweifelsohne gebührt. In der Bucht wartete bereits die Cisco auf uns und wir hatten noch genügend Zeit, um den Abend bestmöglich zu nutzen. So entschied sich Niclas befeuert vom traumhaften Anblick der Bucht kurzerhand, die knapp 13 Kilometer zum Kap und zurück im Laufschritt zurückzulegen und André testete das neue Taucherequipment an der felsigen Küste. Den Abend verbrachten wir an Bord der Cisco bei unseren neuen Freunden mit vielen weiteren interessanten Gesprächen. Für den nächsten Tag war erneut schlechter Wind und Regen vorhergesagt, sodass es uns am sinnvollsten erschien, einen weiteren Tag in Finisterre zu verbringen. Angefixt von Niclas Erzählungen über das Kap, wollten nun auch André, Matthias und Luisa den Aufstieg wagen. Kaum mit dem Dinghy in der Stadt angekommen, trafen wir zwei alte Bekannte, die wir am Strand von Gijon kennengelernt hatten, Bruno und Gustavo. Die Beiden waren gerade erst nach Finisterre gezogen, um hier ihr Geschäft aufzubauen und hatten das Kap auch noch nicht in Augenschein nehmen können. So brachen wir zu sechst zu einem weiteren Wandertag auf. Auf dem Kap angekommen herrschte zwar immer noch dichter Nebel, der allerdings immer wieder auflockerte und den wunderbaren Ausblick, den er verhüllte, erahnen ließ. So hatten sich die Römer also das Ende der Welt vorgestellt! Auch der Abstieg durch die dichten Bergwälder und der Ausblick landeinwärts sowie auf die Buchten Fisterra‘s wussten uns zu begeistern! Wir ließen den langen Tag mit unseren vier Begleitern an Bord ausklingen und gingen erschöpft zu Bett. 


Am nächsten Morgen hieß es wieder einmal Abschied nehmen - zumindest vorläufig blieben unsere dänischen Freunde in Fisterra zurück und wir brachen zusammen mit der Cisco nach Vigo auf. Der Wind war gut und wir hatten einen traumhaften Segeltag an dem wir in knapp 10 Stunden die über 50 Meilen zu unserem letzten Ziel in Spanien ganz entspannt zurücklegen konnten. Am Abend in Vigo angekommen, verbrachten wir einen weiteren Grillabend mit Matthias und Luisa in einer zauberhaften Bucht samt Lagerfeuer und Schaukelstuhl am Strand. Den nächsten Tag setzten wir die letzten 4 Meilen zur Marina über und erkundeten die Stadt. Erneut versetzten uns die Spanier mit ihrer Lebensart ins Staunen! Die Altstadt Vigos besteht fast ausschließlich aus gelbbraunen Sandsteinäusern, die sich einen Steilhang bis zu einem alten Fort hoch über der Stadt ausdehnen. Zwischen den scheinbar planlos aneinander gesetzten Häusern erstreckt sich ein wahres Labyrinth von engen Gassen, alten Toren und großen Plätzen auf denen sich unzählige Menschen in den vielen Bars und Restaurants tummelten. Ein gesellschaftliches Leben, wie wir es in Deutschland noch nicht erleben konnten! Trotz Corona-Hochzeit strahlte die große Hafenstadt im Nordwesten Spaniens eine einzigartige Lebensfreude und Wärme aus. Daher hielten uns auch die niedrigen Temperaturen nach Sonnenuntergang und der Abfahrtstermin am nächsten Morgen um 6 Uhr nicht davon ab, den Abend mit Erkundung der lokalen Bars zu verbringen. Und wieder gab es eine Premiere: Unser erster spanischer Sangria wusste mit seinem süßlich, fruchtigen Geschmack in jeder Hinsicht zu überzeugen. So endet unsere - leider sehr kurze - Zeit in Spanien mit einer schönen Erinnerung und der Gewissheit auch an diesen Ort zurückkehren zu wollen.


Am nächsten Morgen schellte in aller Frühe der Wecker. Wir hissen eilig die Segel und setzten Kurs auf Porto. Bei 4-5 Windstärken nach der Beaufortskala aus Nord steht uns ein weiterer traumhafter Segeltag bevor. In Porto müssen wir dann endlich die ob der neuen Freundschaften lange aufgeschobene Reparatur am Netz nachholen und auch den Backbordmotor, dessen Seewasserkühlung streikt, genauer inspizieren. Nach zwei Wochen Erholung steht uns also eine weitere Werftzeit bei hitzigen 30 Grad bevor. In der Hoffnung, die langen Hosen nun endlich in die tiefen Bilgen unserer Running Deer verbannen zu können, senden wir ein fröhliches Ahoi nach Deutschland und freuen uns, dass ihr unsere Reise verfolgt! 


André & Niclas 




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