Portugal/Madeira

Knapp 500 Seemeilen offener Atlantik lagen vor uns und zum ersten Mal wurde uns richtig bewusst, warum man das Atlantiksegeln auch als Blauwassersegeln bezeichnet - bereits kurz nach unserer Abfahrt aus Portimão strömte saphierfarbenes, kristallklares Wasser an den Rümpfen der Running Deer entlang. Ein herrlicher Anblick an den wir uns ab jetzt nur zu gerne gewöhnen werden. Weniger herrlich zeigte sich zu Beginn der Wind und keine 30 Minuten nachdem wir den Anker gelichtet hatten, vermeldete die Windex 0 Knoten. Aber dieser Zustand änderte sich schnell und anstatt der vorhergesagten 25-30 Knoten hatten wir plötzlich bis zu 40 Knoten Wind von achtern und surften mit bis zu 14 Knoten Bootsgeschwindigkeit die leuchtend blauen Wellen herunter. So legten wir am ersten Tag ganze 175 Meilen zurück - für uns alle eine absolute Rekordstrecke. Das schnelle Segeln und der starke Wind sowie die bis zu 8 Meter hohen Wellen forderten uns allerdings auch jede Menge Aufmerksamkeit ab und ließen kaum eine Ruhepause zu. Einige der riesigen Brecher stiegen bis in unser Cockpit ein und verwandelten dasselbe in einen Swimmingpool. Die nächsten beiden Tage ließen Wind und Welle nach und wir kamen zwar etwas langsamer, aber dafür auch deutlich entspannter voran. So konnten wir Funchal, die Hauptstadt von Madeira, in 3 statt der einkalkulierten 5 Tage am Montagnachmittag erreichen. Es blieb also noch genug Zeit für den obligatorischen Corona-Test. Bereits in Lagos hatten wir in der Marina von Funchal angerufen und uns über die Einreisebestimmungen informiert. Dort klang das alles ziemlich einfach: Anker werfen, Test ablegen und 12 Stunden später sei das Ergebnis da, sagte man uns. Dementsprechend legten wir uns zunächst vor dem Hafen von Funchal vor Anker und kontaktierten erneut die Marina. Diese verwies uns weiter an die Polizei, die uns wiederum an die Gesundheitsbehörde weiterleitete. Zudem kam auch noch die Hafenkontrolle Längsseite und forderte uns zum einklarieren auf. Nach viel hin und her durften wir am Dienstagabend den Coronatest machen und konnten Mittwoch endlich an Land! 


Bereits von See aus beeindruckten uns die bewaldeten Berge und purpurnen Felsklippen auf Madeira sehr. In der ersten Nacht leuchteten die Straßenlaternen in Funchal vor uns auf wie ein bezaubernder Sternenhimmel auf offener See. Wir konnten es also kaum erwarten, diese zauberhafte Insel für uns zu entdecken. Die letzten Tage auf See und in Quarantäne war aber auch ein ganzer Wäscheberg angefallen und es mussten einige kleinere Reparaturen vorgenommen werden. Schweren Herzens erfüllten wir also noch die Pflichten, die das Leben auf See so mit sich bringt und organisierten für die nächsten beiden Tage einen Leihwagen. Als wir diesen am nächsten Tag in Empfang nahmen war vor allem André sehr ernüchtert: Statt des erhofften Jeeps gab es nur einen Fiat Panda - dies tat unserer Neugier jedoch keinen Abbruch und so wurde unser kleines Ashore-Racing Vessel mit bis zu fünftausend Umdrehungen die Berge von Madeira rauf und runter gequält. Unser erster Eindruck von dem abgelegenen Eiland mitten im Atlantik bestätigte sich schnell und die zwei Tage Inselrundfahrt boten jede Menge Spaß und wundervolle Natur: Ein Wasserfall mitten auf der Straße unter dem wir duschen konnten, unzählige Steilhänge voll mit Bananenstauden von denen wir sogar eine für unseren Geräteträger ergattern konnten, dichter Regenwald, in dem wir unseren gemächlichen Panda - zu diesem Zeitpunkt bereits als „The Beast“ berüchtigt - teilweise die matschigen Hügel hochschieben mussten, steinige Klippenwege, an denen man nur mit Hilfe von Seilen herunter kam, schwarze Felsküsten, eine gläserne Aussichtsplattform und immer wieder kurvige Serpentinenstraßen und Tunnel über und durch die etlichen Berge. Besonders beeindruckend war, wie schnell sich die Landschaft veränderte - stand man in einem Moment noch mitten im belebten Urwald so fand man sich im nächsten in einer kargen Marslandschaft wieder. So bot Madeira für jeden Geschmack etwas und ließ keinerlei Langeweile aufkommen! 


Am Wochenende kamen uns Lara und Siri aus Deutschland besuchen und wir lernten Heather und James kennen, die aus England im Urlaub auf Madeira waren. Außerdem trafen wir Carlos, der aus Venezuela eingewandert war und in einem Restaurant jobbte. Eine bunt zusammen gewürfelte Truppe einzigartiger Menschen mit denen wir noch jede Menge unvergessliche Momente auf Madeira erlebten: Einige Wanderungen durch die Wälder zu abgelegenen Berg- und Küstenseen, in denen es sich hervorragend schwimmen ließ, natürlich auch die ein oder andere durchzechte Partynacht und die Bezwingung des mit 1862 Metern höchsten Gipfels Madeiras, dem Pico Ruivo! Absolut empfehlenswert ist auch der Poncha, eine Spezialität Madeiras aus Rum und handgepressten Früchten. 


Nachdem so recht schnell zwei Wochen auf der Blumeninsel vergingen, war es an der Zeit weiter zu unserem nächsten Ziel, den 300 Meilen weiter südlich gelegenen Kanaren aufzubrechen. Wir planten am Samstag nochmal groß einzukaufen, das Boot klar zu machen und uns von allen zu verabschieden. Doch dieses Mal hatte unser Boot andere Pläne für uns: Am Samstagmorgen entdeckten wir, dass sich die Anlaminierung der Trennwände im Steuerbordrumpf gelöst hatte. Offensichtlich hatte die erste Nacht der Überfahrt nach Madeira mit den mächtigen Wellen ihren Preis gefordert. Ein empfindlicher Schaden für die Stabilität des Bootes mit dem wir keinesfalls weiter zu den Kanaren segeln konnten. Das Wochenende war die Stimmung auf dem Nullpunkt, aber gleich am Montag suchten wir die nächstgelegene Werft auf und planten die erste „Wintersaison“ für die Running Deer. Bereits am Dienstag konnte das Boot aus dem Wasser geholt und sicher in der Werft unter dem Flughafen von Madeira abgestellt werden. Wir besorgten uns zudem einen Leihwagen - Fiat Panda natürlich - und eine Ferienwohnung, da unser Boot in den nächsten Tagen zur Großbaustelle wurde. Wir bauten einen Großteil der Verkleidung im Steuerbordrumpf aus, klebten die Backbordseite ab, schliffen das alte Laminat ab und übergaben dann an George (Deckname „Josh Josh“), einen mit GFK-Arbeiten erfahrenen Mitarbeiter der Werft. Während Josh Josh und sein Kollege Alano (Deckname „Portugiesischer Tanno“) im Innenraum das Laminat erneuerten, nutzten wir die Gelegenheit um das Unterwasserschiff zu schleifen und neues Antifouling aufzutragen. In den Mittagspausen brachte uns Alano Bananen und Mangos von seiner Plantage mit und so hatten wir gut gestärkt alle Reparaturen bis Freitag erledigt. Ein großes Glück waren auch die geringen Stundenlöhne auf Madeira, da wir die Reparatur andernfalls kaum hätten bezahlen können. Mittwochs blieb nach der Arbeit auch noch genug Zeit, um in Niclas Geburtstag reinzufeiern. Diesen hatte er sich zwar anders vorgestellt, aber seit Beginn unserer Reise ist das Unerwartete und Unplanbare unser steter Begleiter - gerade hierin liegt auch immer ein Reiz, der unser Abenteuer so aufregend macht. Zur Feier des Tages gönnten wir uns noch einen neuen Haarschnitt von Carlos auf der Straße vor unserem Appartement. Carlos erwies sich als wahres Multitalent und machte seine Arbeit ganz hervorragend. Das Wochenende war die Werft geschlossen und ein Sturmtief zog über Madeira hinweg, sodass die Insel im Regen versank. Das perfekte Wetter also, um uns in unserem Appartement ohne größeres Programm von der Arbeitswoche zu erholen. Außerdem kam uns erneut Sophie, die uns bereits in der schönen Bretagne begleitet hat, besuchen und ergänzte die Besatzung der Running Deer. Zum Wochenstart bauten wir alle Möbel wieder ein und brachten das Innenleben der Running Deer wieder auf Vordermann. Außerdem kauften wir für die Überfahrt zu den Kanaren, die als Testfahrt für das neue Laminat dienen soll, ein und bereiteten alles vor, um am Mittwoch aufbrechen zu können. Nachmittags wanderten wir noch einmal um den Osten der Insel, eine sehr karge Hügellandschaft, die aber durch ihre steilen Aufstiege und den wunderbaren Ausblick auf Madeira sowie die Ihlas Desertas auf jeden Fall einen Besuch wert war! Außerdem konnten wir noch ein Bild an die Hafenmole von Funchal malen - eine Tradition, die schon unzählige Segler vor uns gelebt und so die Hafenmole in ein einzigartiges Kunstwerk verwandelt haben. Auch hier kam uns die Anwesenheit von Sophie sehr zu Gute, da uns doch recht schnell bewusst wurde, wie limitiert unsere künstlerischen Fertigkeiten sind. 


Am Mittwochnachmittag verabschiedeten uns Troy und Laureen, zwei weitere Engländer die wir auf Madeira kennengelernt haben, an der Werft und wir hissten zum ersten Mal seit zwei Wochen endlich wieder die Segel mit Kurs auf die östlichste Kanareninsel Lanzarote. Knapp 300 Seemeilen gilt es zurückzulegen und wir rechnen mit ca. 2 1/2 Tagen Fahrt. Noch 50 Meilen nach dem Ablegen konnten wir in der tiefen Nacht die strahlenden Lichter Madeiras am Horizont erspähen. Als nächstes können wir hoffentlich mit neu gefassten Vertrauen in unsere altersschwache, aber hoch erfahrene und vielfach erprobte Running Deer von den Kanaren berichten - gewiss ein weiteres Highlight unserer Reise! Madeira können wir jedem Naturliebhaber und Wanderfreund nur sehr ans Herz legen. Auch von Corona ist die kleine Insel bisher weitgehend verschont geblieben und es gibt nur minimale Einschränkungen im öffentlichen Leben. Eine wahre Festung der Normalität in diesen chaotischen Zeiten! Nun freuen wir uns sehr auf die Kanaren, so schön Madeira auch war, 3 Wochen an einem Ort zu verweilen entspricht nicht dem Geist unserer Reise und es wird allerhöchste Zeit für neue Abenteuer! 


Ahoi 


André, Janschek & Niclas

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