Für unsere nächtliche Überfahrt nach Las Palmas/Gran Canaria waren leichte Winde angesagt, sodass wir noch im Hafen den Code 0 anschlugen. Aber bereits die Täler zwischen den staubigen Bergen Fuerteventura‘s, die den Winderschatten der Insel teilweise lichteten, ließen deutlich mehr Wind aufkommen als erwartet. So wurde aus der anfänglichen Code 0 Beseglung schnell die kleine Genua im Reff. Dafür kamen wir jedoch flott voran und liefen kurz vor Sonnenaufgang in den gigantischen Hafen von Las Palmas ein. Schon weit vor dem Hafen konnte man die riesigen Bohrinselschiffe sehen, die wie bunt geschmückte Weihnachtsbäume die Nacht erhellten. Da wir uns im Hafen nicht angemeldet hatten und dieser trotz seiner Größe zu dieser Jahreszeit aufgrund der kurz bevorstehenden ARC (Atlantic Rallye for Cruisers) immer sehr überfüllt ist, versuchten wir zunächst einen Platz in der Ankerbucht unmittelbar neben dem Hafen und direkt vor der Innenstadt Las Palmas‘ zu finden. Auch dies war kein einfaches Unterfangen, da die Ankerbucht ebenfalls von anderen Segelbooten übersäht war. Zudem hatten wir unseren Ankerspil noch nicht repariert, sodass wir den Anker von Hand wieder hoch holen mussten, wenn er nicht hielt. Nach dem dritten Versuch war es geschafft, der Anker packte und wir hatten unseren Frühsport erledigt. Zur Belohnung begrüßte uns ein rot-oranger Sonnenaufgang über der Küste vor Las Palmas! Außerdem stießen wir in der Ankerbucht auf alte Bekannte: die beiden Dänen von der Artemis, die wir in A Coruña kennengelernt und mit denen wir einige Abende in den Buchten Galicien’s verbracht hatten, waren einen Tag zu vor in Las Palmas angekommen. Allerdings war es noch deutlich zu früh, um Henrik und seine Tochter Freja zu wecken und wir gingen erschöpft, aber zufrieden zu Bett und schliefen bis mittags aus.
Las Palmas ist als einer der größten Atlantikhäfen und jährlicher Startort der ARC für seine hervorragenden Reparaturmöglichkeiten bekannt, sodass es in den nächsten Tagen galt, das Boot für die Atlantiküberquerung vorzubereiten und gleichzeitig so viel wie möglich von den Insel zu sehen. Außerdem wollten wir den Schaden am Laminat im Steuerbordrumpf, den wir auf Madeira repariert hatten, von einem Fachmann bewerten lassen und auf dieser Basis eine abschließende Entscheidung treffen, ob wir die Tour mit der Running Deer wie geplant fortsetzen können und wollen. Am Dienstag wurde daher noch leicht schlaftrunken von der vorherigen Nachtfahrt allerhand organisiert: wir vereinbarten einen Termin für Mittwoch mit dem Experten, organisierten einen Leihwagen sowie einen Platz im Hafen und klapperten die gut ausgerüsteten Boatshops direkt vor der Marina ab.
Bereits am nächsten Tag konnte sich der Experte den Schaden angucken und wir waren sehr erleichtert, als er sein Ok für die Atlantiktour gab! Trotzdessen hatte Janschek uns bereits zuvor mitgeteilt, dass er uns nach den Kanaren wieder verlassen würde, da ihm das Boot zu unvertraut ist und er sich nicht vollständig darauf verlassen kann. Eine Entscheidung die wir sehr bedauern, aber voll und ganz respektieren, schließlich haben wir uns mit dieser Reise ganz schön was vorgenommen und jeder von uns muss zu 100% dahinterstehen und auf das Boot vertrauen können. Ersatz für Janschek war jedoch schnell gefunden, da René, der am Sonntag in Las Palmas landen sollte, kurzfristig zusagte, uns über den Atlantik zu begleiten! Ein Riesenglück, da insbesondere die langen Nachtfahrten zu dritt deutlich angenehmer zu bestreiten sind.
Die Woche gelang uns der Spagat zwischen reparieren, Entdeckungstouren und entspannen perfekt und am Montag hatten wir René an Bord, fast alle kleineren Reparaturen erledigt, reichlich eingekauft und zwei Inselrundfahrten quer über Gran Canaria unternommen! Dabei beeindruckte uns insbesondere die wunderschöne Westküste Gran Canaria’s mit hohen Klippen, weißen Sandstränden, beschaulichen Fischerdörfern, Felsküsten an den denen die Atlantikwellen meterhoch zerschellten und an der viel mehr Natur als noch auf Lanzarote und Fuerteventura zu sehen war. Auch die saharaähnlichen Sanddünen im Südosten bei Maspalomas waren ein absolutes Highlight: keiner von uns hatte bisher derartig hohe und weite Felder von reinen Sandhügeln gesehen! Wie kleine Kinder sprangen wir begeistert die steilen Dünen in den heißen Sand herab. Darüber hinaus lud die Altstadt von Las Palmas zu einigen Besuchen ein und wir entdeckten den besten Milchshake, den wir jemals getrunken hatten. Außerdem lernten wir einige Erasmus-Studenten aus aller Welt kennen und verbrachten einen Abend an einem abgelegenen Campingplatz, den wir ohne Locals wohl niemals entdeckt hätten. Am Sonntag bewunderten wir noch den Start der ARC und wünschten den uns Gleichgesinnten, allerdings wesentlich besser ausgestatteten, alles Gute für ihre Reise auf der wir ihnen schon bald nachfolgen werden. Dank der Mithilfe der beiden Mädels konnten wir sogar unsere eigene ARC-Flagge (an Bord der Running Deer: Atlantic Rave for Cruisers) basteln und unser Boot so endlich mit einem Logo ausstatten! Auch unsere Reparaturliste ließ sich im hervorragend ausgestatteten Las Palmas super schnell abarbeiten und so gibt es mittlerweile gefühlt kein Teil mehr an unserem Boot, dass wir nicht schonmal ausgetauscht oder repariert hätten! Für Interessierte nachfolgend der klägliche Versuch einer Aufzählung der unzähligen Reparaturen seit wir die Running Deer erworben haben von Achtern bis zu Vorsteven: Austausch der beiden defekten Innenbordmotoren gegen zwei Außenborder, Anbau eines Geräteträgers samt Solarpanelen, Reparatur der gebrochenen Grettinge im Cockpit, Anbau der Notantenne an den Geräteträger, Austausch der veralteten Navigationsinstrumente, Austausch der alten Batterien, mehrfaches Neubekleben des Himmels im Innenschiff, Einbauen neuer Steckdosen, Verlegen eines neuen Bodens, Austausch der Gassicherung, Anlaminierung der Möbel im Steuerbordrumpf, Einbau einer neuen Toilette, Reparatur der Mastelektrik, Anbringen einer Aluschiene für das Großsegel, Austausch des Lümmelbeschlags am Großbaum und der Reffleine für das Großsegel, Austausch des abgebrochenen Hauptschalters an der Steuerbordbatterie, Reparatur der Alischiene am Netz auf dem Vorschiff, Reparatur der gebrochenen Großschot, Nähen von Rissen in der G1, Nähen der Persenning für das Vorsegel, Austausch des Spibaumbeschlags, Austausch der Impeller sowie Ölwechsel an den Außenbordern, zweimal Abschleifen des Unterwasserschffes und Auftragen von neuem Antifouling.... Aber auch das ist Part of the Deal und verlangt uns immer wieder eine Menge Kreativität und Ideenreichtum ab!
Alles in allem hatten wir eine erfolgreiche und beflügelnde Woche in Las Palmas, nach der uns aber die Segellust wieder sehr gepackt hatte und wir es kaum erwarten konnten, weiterzureisen. Da wir mehrfach vor dem sog. Düseneffekt, einer erheblichen Windzunahme zwischen den einzelnen Kanareninseln gewarnt wurden und uns Henrik noch eine Ankerbucht im Süden von Gran Canaria empfehlen konnte, beschlossen wir in entspannten Tagestrips über Teneriffa nach La Gomera zu segeln und kamen am Dienstagabend nach einer sonnigen Überfahrt in der besagten Ankerbucht kurz hinter den traumhaften Sanddünen von Maspalomas an. Die Nacht verbrachten wir wie in Gottes Schoß und am nächsten Tag hissten wir vormittags die Segel mit Kurs auf Teneriffa!
Nun verbleiben uns noch zwei Wochen auf Teneriffa und La Gomera bevor es ca. 800 Seemeilen zu den Kap Verden und dann endlich auf zu unserem großen Ziel in die Karibik geht! Die Vorfreude wächst mit jedem weiteren Tag und die Tatsache, dass wir nahezu alle Vorbereitungen abgeschlossen haben, gibt uns ein sehr beruhigendes Gefühl! Nach dem Rückschlag auf Madeira scheint es nun wieder deutlich besser zu laufen! Diese Reise ist eben wie auch das Leben eine Achterbahnfahrt, deren Tiefen notwendig sind, um die Höhen wirklich schätzen zu können!
Jetzt heißt es auf der mit 6 Leuten übervoll besetzten Running Deer aber erst einmal eng zusammenrücken und die restliche Zeit hier auf den Kanaren voll auskosten!
Ahoi
André, Janschek & Niclas
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