Nach den drei Wochen auf See hatten wir uns so sehr an das Leben an Bord gewöhnt, dass es uns nicht wirklich eilig war an Land zukommen. Aber Eile war auch nicht das Gebot der Stunde, immerhin standen uns jetzt mehr als 4 Monate in der Karibik bevor.
So ging es nach unserer Ankunft am zweiten Weihnachtstag nur kurz zur Marina, um ein paar Baguettes zu holen und die Mangroven tief in der Bucht von Le Marin zu erkunden. Am nächsten Tag waren wir bei Gaelle und Serge zum Grillen eingeladen. Die Tante und der Onkel von Sophie, unsere Mitseglerin in Frankreich und auf den Kanaren, bereiteten uns einen herzerwärmenden Empfang in der neuen Welt. Bei Rum und Rippchen tauschten wir uns insbesondere über Segeln aus. Und mit Serge hatten wir einen sehr erfahrenen Gesprächspartner. Er selbst hat den Atlantik schon auf seinem selbstgebauten Boot überquert und wir waren sehr beeindruckt, mit welchen Strapazen man noch vor wenigen Jahrzehnten in der Seefahrt zu kämpfen hatte. Nachdem Gaelle uns zurück zur Marina gefahren hat, packte uns doch die Lust mal wieder eine Bar aufzusuchen. Wir fuhren mit unserem Dinghy die Bucht entlang und fanden eine kleine Strandbar, bei der wir direkt neben unserem Tisch parken konnten! Als wir gerade unser Bier bestellt hatten, setzte heftiger Platzregen ein und wir waren trotz der warmen Temperaturen reichlich glücklich über den kleinen Strandschirm neben unserem Tisch. Ein Phänomen an das wir uns – ähnlich wie an die Squalls auf dem Atlantik – gewöhnen mussten, das uns aber auch immer sehr gelegen kam, um mal wieder eine Frischwasserdusche mitzunehmen. Die Karibik ist – zumindest am Ende der Regenzeit – offensichtlich nicht immer nur Sonnenschein!
Es war nun kurz vor Silvester und Le Marin vermittelte uns nicht den Eindruck, als könne man dort angemessen den Jahreswechsel zelebrieren. Wir machten uns daher auf den Weg zur Inselhauptstadt Fort de France etwa 20 Meilen weiter nördlich von Le Marin. Nachdem wir 3.000 Meilen auf dem Atlantik zurückgelegt hatten, klingen 20 Meilen wie ein Katzensprung, aber wir entdeckten auf dem Weg so viele traumhafte Buchten, dass wir alle paar Meilen Halt machten und die Nächte zwischen den Feiertagen jedes Mal in einer anderen Bucht verbrachten. So haben wir uns das Karibiksegeln gewünscht!! Natürlich ließen wir es uns nicht entgehen, die Kokospalmen am Strand hinaufzuklettern und unsere erste karibische Kokosnuss zu köpfen. Auch der eindrucksvolle Rocher du Diamond, der kurz vor der Küste Martiniques 175 Meter hoch aus dem Wasser ragt, wusste uns zu begeistern. Zu Napoleons Zeiten hatten die Briten die steilen Klippen erklommen und auf dem kleinen Oberland eine Garnision errichtet, die den spanisch-französischen Angriffen ganze 17 Monate lang standhielt. Wer den Felsen einmal mit eigenen Augen gesehen hat, kann sich vorstellen wie beeindruckend dieses Himmelfahrtskommando gewesen sein muss. Noch heute salutieren britische Kriegsschiffe daher, wenn sie den Rocher du Diamond passieren. Am Silvestertag legten wir die letzten Meilen bis Fort de France zurück und gingen an Land, um unsere Optionen für den Abend auszuloten. Diese erwiesen sich zu unserer Enttäuschung mehr als mau. Alle Läden die wir abklapperten hatten abends geschlossen und niemand konnte uns einen guten Tipp für den Abend geben. Sehr begeistern konnte uns dagegen die karibischen Wochenmärkte in Fort de France auf denen wir mit den Händlern um ein paar Maracujas feilschten. Auf dem Rückweg zum Boot machten wir mit dem Dinghy bei einem Iroquois-Katamaran, dem kleinen Bruder unserer Comanche 32, halt und trafen einen alten Schweden, der lange Zeit in München gelebt hatte und sehr gutes Deutsch sprach. Der Einsiedler erzählte uns, dass wir in Fort de France mit keinen Silvesterpartys rechnen könnten, da die Behörden erst kürzlich die Auflagen verschärft und sogar Feuerwerke verboten hatten. Zum Glück hatte er aber auch den Tipp, auf die andere Seite der riesigen Bucht zu verholen, da dort mehr Touristen und Hotels sowie einige wunderschöne Strände seien, an denen sich vielleicht doch noch ein bisschen Nachtleben finden lasse. Außerdem zeigte uns der freundliche Opa eine besondere Leguanfamilie, die es nur in den Felsen vor Fort de France gibt und die sich durch ihre einzigartige gelbe Farbe auszeichnet. Nach kurzer Überlegung kehrten wir Fort de France den Rücken und folgten seinem Rat. Wir entspannten noch einige Zeit auf dem Boot und telefonierten mit unseren Freunden und Familien in Deutschland, die bereits 5 Stunden vor uns das neue Jahr begrüßen konnten, und gingen am frühen Abend an Land. Tatsächlich fanden wir einige geöffnete Bars und freundeten uns schnell mit unseren Tischnachbarinnen, einige Französinnen, die hier Urlaub machten, an. Gegen 22 Uhr mussten alle Bars schließen und so nahmen wir unsere neuen Freunde mit auf`s Boot, um den Jahreswechsel auf dem Wasser zu feiern. Wir tanzten, sangen und lachten auf dem Vorschiff und konnten es kaum glauben als gegen 0:30 – über der ganzen Bucht war vorher nicht eine Rakete zu sehen gewesen – ein großes Feuerwerk vom Hotel direkt vor uns gezündet wurde! Einmal mehr küsste uns das Glück mitten auf den Mund.
Die ersten Tage des neuen Jahres machten wir es uns in der Ankerbucht bequem und freuten uns, als Serge und Gaell uns für einen Tagestörn besuchen kamen. Erneut erwies sich Serge als wahrer Hochseeveteran und ließ den Autopiloten keine Sekunde zum Zuge kommen. Nach 4 Tagen Entschleunigung in der Bucht beschlossen wir zurück nach Le Marin zu segeln, um uns dort mit Carsten, ein anderer deutscher Segler, der uns auf Instagram angeschrieben hat, zu treffen. Außerdem hatten sich mit der Zeit jede Menge kleinere Punkte auf unserer Reparaturlisten angehäuft, die in der Summe nun allerdings nach zeitnaher Beachtung schrien. Erneut verzauberten uns die traumhaften Ankerbuchten an der Westküste Martiniques jedoch so sehr, dass wir bereits nach wenigen Meilen den nächsten Stopp einlegten, um Schnorcheln zu gehen. Und das zusätzliche Ankermanöver zahlte sich vollkommen aus, denn Andre konnte die erste Riesenschildkröte in der Karibik beim Tauchen beobachten. Ganz ohne Zweifel ein einzigartiger Anblick! In Le Marin angekommen ankerten wir neben Carsten und weihten den Relingsgrill auf seiner massiven 15 m Reincke Hydra ein. Die Reparaturen ließen sich zum Glück schnell erledigen und wir hatten noch genug Zeit für einige weitere Grillabende mit Carsten und anderen Seglern aus aller Welt.
Gegen Ende der ersten Woche des neuen Jahres besorgten wir uns einen Leihwagen und begannen das kleine Paradies landseitig zu erkunden. Vor allem die vielen für deutsche Verhältnisse heruntergekommenen aber in leuchtend bunten Farben gestrichenen Holzhütten taten es uns an. Auch die etlichen Grillstände direkt an der Straße, bei denen man für kleines Geld ein leckeres Grillhähnchen holen kann, prägen hier das Stadtbild. Außerhalb der Dörfer bietet Martinique ein vielfältiges Natur- und Landschaftsbild. Tiefe lianenverschlungene Regenwälder, hohe Felsklippen, weiße Sandstrände, weite Bananenplantagen, alte Kakaoplantagen…. Martinique kriegt auf jeden Fall eine absolute Reiseempfehlung! Natürlich ließen wir uns auch einen Besuch in einer der vielen Rumdestillieren nicht entgehen. Wir folgten dabei Serge’s Rat und fuhren zur JM-Destilliere ganz im Norden der Insel. Auch hier erweisen sich die Inselbewohner als wirklich gastfreundlich und lassen alle Besucher kostenlos die alten Rumbrennereien besichtigen und verköstigen die Gäste aus aller Welt sogar mit einigen Gratiskostproben. Wir nutzten den Leihwagen zudem, um einen kleinen Campingausflug in den Nordwesten zu machen. Schwer beladen mit Hängematten, Grillzeug, Macheten und selbstverständlich einer Palette Bier suchten wir nach einem gemütlichen Plätzchen unter den Palmen direkt am Strand. Nach einiger Suche- und Schlepperei wurden wir fündig und schlugen unser Lager auf. Die Hängematten ließen sich im dichten Küstenwald perfekt aufhängen und ein kleines Lagerfeuer am Strand war schnell entzündet. Noch bis spät in die Nacht bewunderten wir den sternenklaren Himmel und die wunderschöne Küste bei der Anse Couleuvre. Rene’s Versuch in einem Baum zu schlafen, der nach ca. 2 Minuten und 1,5 Metern freiem Fall auf dem Boden der Tatsachen endete soll nicht unerwähnt bleiben. Am nächsten Morgen wurden wir von dem Rauschen der Wellen direkt zu unseren Füßen geweckt. Romantischer kann man wohl kaum aus den Träumen geholt werden.
Am nächsten Tag erreichte uns eine lang ersehnte Freudenbotschaft von Gaelle: Rene’s Reisepass ist nach über 2 Monaten endlich bei uns eingetroffen! Wir können nun zu dritt den Rest der Karibik erkunden. Manchmal wundert man sich, wie einfach sich komplexe Probleme in Luft auflösen. In Spanien hatten wir fast 4 Wochen auf den Pass gewartet und dann nochmal weitere vier Wochen bis er endlich wieder in Deutschland war. Nun hatte er innerhalb von nur 5 Tagen die gesamte Strecke, für die wir 6 Monate gebraucht haben, zurückgelegt und war endlich bei uns auf Martinique angekommen. Nachdem wir den Leihwagen zurückgegeben haben wurde es Zeit uns die weitläufigen Korallenriffe im Osten der Insel etwas genauer anzusehen. Wir brachen also erneut aus Le Marin auf, umquerten nach einem kleinen Stopp an den Traumstränden von Saint Anne den Süden der Insel und fuhren direkt hinter die Korallenriffe im Osten. Von der meterhohen Atlantikwelle ist kaum noch etwas zu spüren, sobald man erst hinter den Riffen in Deckung gegangen ist. Unsere erste Traumbucht lag genau in einer Meerenge zwischen zwei Inseln (Ilet Thiery und Ilet Oscar), die nach Nordosten hin von einem großen Korallenriff geschützt sind. Links und rechts kann man die hohen Palmen am Strand sehen, während nur wenige hundert Meter vor einem die Atlantikwelle bricht. Wir erkundeten die beiden Inseln und schnorchelten an den Riffen entlang, bevor es am nächsten Morgen weiter in die nächste Bucht ging. Diese konnten wir bereits gegen Mittag erreichen, sodass eigentlich noch genug Zeit zum weitersegeln gewesen wäre. Dies war auch die Option, die Niclas präferiert hätte, da die unscheinbare Bucht auf den ersten Blick nicht wirklich viele Besonderheiten bot (natürlich im Vergleich zu den wunderbaren Orten, an denen wir bisher waren). Aber Andre und Rene wollten die Sache ruhiger angehen lassen und zumindest eine Nacht im Windschatten der Gros Ilet Lavigne verbringen. Und diese Entscheidung kostete erstmal allerhand Nerven: Der erste Anlegeversuch mit einem Seil an einem Baum ging aufgrund der Windrichtung schief. Danach warfen wir den Anker etwas außerhalb der Bucht am Beginn einer kleinen Passage zwischen dem Festland und der Insel. Dort wurden wir nach kurzer Zeit recht rüde von Einheimischen weggeschickt, denen die Passage als Motorboot Highway dient. Nachdem wir etwas weiter in die Bucht hinein verholt hatte, kam erneut ein Local mit seinem Motorboot zu uns und gab uns sehr freundlich den Rat auf die andere Seite der Bucht zu wechseln, da die Winde nachts einschlafen können und wir dann nicht mehr genug Platz zu unserem Nachbarn haben würden. Außerdem lud er uns für abends auf seinen Katamaran, der ebenfalls in der Bucht lag, ein. Was die nächsten Tage geschah, hätte sich keiner von uns vorstellen können und ließ uns endlich so richtig in der Karibik ankommen. Völlig unwissentlich hatten wir uns an den Ort verirrt, den die Einheimischen Willy’s Bay nennen.
Willy war der freundliche Mann Mitte 50, der uns zum dritten Verholmanöver an einem Vormittag geraten hatte. Und dazu hatte er alle Berechtigung, schließlich liegt sein Katamaran bereits seit 4 Jahren in dieser Bucht und er kennt die Gegend wie seine Westentasche. Bevor wir uns mit Willy trafen machten wir einen Spaziergang über die Insel, bei dem wir einige Soldaten der französischen Marine trafen, die uns warnten, dass es in der Nacht auf der Insel zu einer Einsatzübung kommen würde und daher etwas lauter werden könnte. Aus Spaß luden wir die Frauen und Männer in Uniform zu einem Bier an Bord ein. Zu unserer Überraschung nahmen die Soldaten unser Angebot sogar an und sagten sie würden später mal mit den Kajaks vorbeikommen. Abends nahm uns Willy mit seinem Motorboot mit auf eine Fahrt durch die Riffe. Mit 45 Knoten rasten wir durch die von kleinen Inseln und Riffen zerklüfftete Wasserlandschaft. Neben seinem Katamaran auf dem Willy lebt, hat er noch ein Jetski und ein Motorboot, die an einer alten Pier in der Nähe der Bucht liegen. Direkt oberhalb der Pier wohnt Willy’s Freund Yves. Mit seinen 74 Jahren ist Yves bereits in der verdienten Rente und kümmert sich eifrig um seinen Garten, der von Bananen über Limonen bis hin zur Rotfrucht allerhand lokales und überlokales Obst und Gemüse beherbergt. Auch wie die Einheimischen Krebse fangen erklärte uns Yves mit aller Geduld, obwohl wir kaum ein Wort Französisch und er kaum ein Wort englisch sprach. Nach unserer Spritztour durch die Riffe nahm uns Willy mit zu Yves und das Rumtrinken begann. Yves „Wohnzimmer“, dass mehr einer Veranda gleicht, da es zu zwei Seiten hin völlig offen ist, dient als eine Art Treffpunkt für die Freunde von Willy und Yves. Auf dem Tisch stand immer eine Flasche Rum sowie Rohrzucker und Limonen und es herrschte fast immer Leben in Yves‘ Haus. Die Menschen gingen ein und aus, begrüßten und tranken einen Rum mit uns und wer konnte unterhielt sich mit uns auf Englisch über die unterschiedlichsten Themen. Aber egal wer gerade mit uns bei Yves saß, alle Einheimischen waren super freundlich und interessiert an uns und unserem Abenteuer. Auch lernten wir endlich, wie man „richtig“ Rum trinkt. Das Nationalgetränk der Bewohner Martinique’s haben wir mit etwas frischem Rohrzucker gemischt und eine Scheibe Limone wird, ohne diese auszudrücken, für das Aroma hinzugefügt. Dann leert man sein Glas in einem Schluck und hält den Rum für ein paar Sekunden im Mund, bevor er mit einem Glas kaltem Wasser heruntergespült wird. Auf diese Weise würde man nicht dehydrieren und bekäme keinen Kater, erklärte uns Willy. Außerdem könnte man so den Geschmack des Rums am besten würdigen. Und tatsächlich ging es uns die gesamte Zeit in Willy’s Bay trotz jeder Menge Rum – wir saßen oft bei Yves und genossen das Leben der Einheimischen – erstaunlich gut. Bereits am ersten Abend sagte uns Willy, dass wir entgegen unserer ursprünglichen Pläne ziemlich sicher länger als nur eine Nacht in seiner Bucht verbringen würden. Am gleichen Abend bekamen wir wie versprochen Besuch von unseren neuen Bekannten in Uniform. Die Navysoldaten nutzten bei ihrer Einsatzübung unseren Katamaran als Sichtschutz und fuhren mit 10 Kajaks direkt an unser Boot. Wir beobachteten das Spektakel derweil von Yves‘ Wohnzimmer aus und genehmigten uns noch einen Rum.
Die nächsten Tage nahm sich Willy viel Zeit, um uns einen traumhaften Aufenthalt in seiner Bucht zu bescheren. Am ersten Tag gab er uns den Tipp an einem nahegelegenen Berg klettern zu gehen. Mit Tauwerk und Klettergeschirr ausgerüstet erklommen wir die steilen Wände des Rocher Leclerc und genossen zur Belohnung die traumhafte Aussicht über halb Martinique. Danach gab es wieder – wie könnte es anders sein – Rum in Yves‘ Haus. Wir lernten sogar etwas kreolisch, die Sprache der Ureinwohner der kleinen Antillen, und prägten uns die Worte „Kay Yves belle“ („Das Haus des Yves ist schön“) besonders ein. Für den Abend besorgten wir Hühnchen und es wurde in einer großen Runde bei Yves gegrillt. Auch einen ganz besonderen neuen Freund haben wir an den beiden Abenden bei Yves kennengelernt: Barry White aka Monsieur de Barry. Bei dem kleinen Racker handelt es sich um eine streunende Katze, die sich mit Willy’s Kuh Nana angefreundet hat und oft bei Yves am Haus war. Und das schneeweiße Jungtier hatte so viel gefallen an uns gefunden, dass es uns nicht mehr von der Seite wich. Als wir schon ein paar Rum auf hatten und Willy und Yves uns sagten wir könnten Barry mitnehmen, wenn wir wollen, hatten wir kaum eine Chance den ozeanblauen Augen unseres neuen Weggefährten zu widerstehen. Von nun an sind die „Three Monkeys“ mit einer Bordkatze unterwegs und um eine einzigartige Erfahrung reicher. Natürlich vereinbarten wir mit Willy, dass wir Barry erst einmal testhalber mitnehmen und wieder zurückbringen würden, falls er das Leben an Bord nicht gut annehmen sollte. Der wunderbaren Erlebnisse nicht genug nahm Willy uns in den nächsten beiden Tagen auch noch mit zum Jetski fahren und auf seinem Motorboot zu einer Liveverfolgung der jährlichen Yole-Regatta. Yole’s sind kleine Segelboote ohne Kiel und mit einem zweigeteilten Großsegel. Die kleinen und wendigen Boote eignen sich perfekt, um mit Highspeed über die Riffe zu surfen. Sie zu segeln erfordert allerdings allerhand Geschick, Erfahrung und insbesondere Balance der 20-köpfigen Besatzungen. Ein solches Rennen aus nächster Nähe erleben zu können war ein riesiges Privileg für uns! Auch für die Einheimischen ist das Rennen ein großes Volksfest und das ganze Wasser war voll von Motorbooten, die die Regatta verfolgten. Während wir neben den Yole’s herfuhren und die tapferen Segler anfeuerten machten wir noch einige Pausen auf Booten und in Häusern von Willy’s Freunden, wo selbstverständlich wieder Rum getrunken, gesungen und gelacht wurde. Wir sind nun endgültig im karibischen Leben angekommen! So schön die Zeit in Willy’s Bay auch war, wollten wir am Montag weitersegeln. Wir fuhren noch einmal kurz zu Yve um uns zu verabschieden. Und es kam wie es kommen musste: Nach dem letzten gemeinsamen Rum gab es eine leckere Fischsuppe von Yves und noch einen letzten Rum und plötzlich war es schon wieder spät am Abend. Wir luden Willy und seine Freundin Veronique, die uns ebenfalls eine wundervolle Gastgeberin war, zum Grünkohlessen bei uns an Bord ein und verbrachten noch einen ausgelassenen Abend gemeinsam. Am nächsten Tag hielten wir die Verabschiedung kürzer und überreichten Yves noch zwei Flaggen unserer Heimatvereine, bevor es mit Barry White an unserer Seite weiter Richtung Norden ging. Die fünf Tage in Willy’s Bay haben unser Verständnis von den Menschen und ihrer Gastfreundschaft hier grundlegend geprägt und wir werden diese erlebnisreiche Zeit niemals vergessen! Ein Teil unseres Herzens gehört von nun an der Willy Bay.
Wir zogen weiter zur nächsten Bucht und mussten beim Landgang mit Barry feststellen, dass es eine ziemliche Herausforderung werden würde, mit einer Katze durch die Buchten zu bummeln, ohne sie zu verlieren oder dauerhaft an Bord festzuhalten. Letzteres war auf jeden Fall keine Option für uns und wir waren zuversichtlich, dass Barry weiter treu zu uns halten würde. Noch eine Bucht weiter konnten wir endlich mit einem Seil an einem Baum festmachen und ganz ohne Anker (den wir zur Sicherheit natürlich trotzdem warfen) auf den Strand fahren. In der Baie du Tresor kamen wir so beinahe trockenen Fußes an Land und erkundeten die traumhaftschöne Landspitze ganz im Osten von Martinique auf einer mehrstündigen Wanderung. Die Landschaft wechselte schnell von dichten Mangrovenwäldern zu hohen Felsklippen und weißen Sandstränden. Wem auch immer sich die Gelegenheit zu einer Wanderung über die Ostspitze Martiniques bieten sollte, der sollte diese auf jeden Fall nutzen! Bei unserer Rückkehr zum Boot lernten wir am Strand Anna, Camille, Margot und Celian kennen mit denen wir abends eine kleine Party auf dem Vorschiff veranstalteten. Die vier Pariser waren wegen Corona in Kurzarbeit und nutzten die Zeit um Urlaub auf Martinique zu machen. Nach der Partynacht ging es am nächsten Tag mit unserem Buchtnachbarn Dan und den Franzosen zum Surfen an den Strand. Wir verstanden uns hervorragend und so luden wir unsere neuen Freunde zu einem Segeltörn und unsere neuen Freunde uns zu einer Hausparty in ihrem Ferienhaus ein. Vorher ging es für uns aber noch in den Norden der Insel, wo wir in der Anse Couleuvre (dort haben wir bereits eine Nacht gecampt) unsere alten (oder besser eher jungen) Bekannten von der Double Twenty zum Grillen und Lagerfeuer machen wiedertrafen. Lukas, Dorian und Leon sind mit der Etap 32 von Lukas etwas später als wir zu der gleichen Tour über ein Jahr aufgebrochen und hatten den Atlantik ebenfalls erfolgreich bezwungen. Die drei frischgebackenen Abiturienten beweisen zum Ende ihrer Teenagerzeit allerhand Mut eine solche Reise auf sich zu nehmen! Und auch uns tat es gut nicht immer die jüngsten unter den Seglern zu sein und die drei Jungen mit einigen altklugen (natürlich meist ironisch gemeinten) Ratschlägen zu belehren. Nach einem entspannten Grillabend bei dem wir uns allerhand zu erzählen hatten, ging es im Westen wieder zurück Richtung Le Marin. Beim Segeln nahe der Küste gibt es in der Karibik neben den vielen Riffen noch eine weitere lästige Herausforderung zu bewältigen: die Einheimischen Fischer übersähen die Küstengewässer mit Fischernetzen, die nur von kleinen PET-Flaschen an der Wasseroberfläche gehalten werden und so eine immense Gefahr beim Segeln darstellen. Des Öfteren fuhren wir uns trotz großer Aufmerksamkeit eine Leine in die Ruder und mussten diese eilig kappen, damit es nicht zu größeren Schäden an unserem Boot kommen konnte.
Auf dem Weg nach Le Marin legten wir noch einen kurzen Zwischenstopp bei der Petite Anse du Diamond ein und trafen uns dort mit unseren alten Bekannten Axel, Moni, Udo, Pit und Gudrun. Wir versuchten leider erfolglos Axel’s Außenborder wieder in Gang zu kriegen und gingen abends in großer deutscher Runde Pizzaessen. Dieses Mal waren wir die Jungspunde doch das tat der geselligen Runde keinen Abbruch und so verbrachten wir einen entspannten Abend. Am nächsten Morgen sammelten wir die Franzosen in der nächsten Fischerbucht ein. An einer kleinen Pier legten wir ein abenteuerliches, aber gelungenes Anlegemanöver hin, um unsere Freunde an Bord zu bekommen und bahnten uns dann unseren Weg durch das Labyrinth von Fischernetze zurück auf die offene See. Bei sehr guten Bedingungen machten wir einen längeren Schlag nach Le Marin bei dem wir einige Wale und Schildkröten in der Ferne beobachten konnten. Für die meisten unserer französischen Freunde war es das erste Mal segeln und so kamen sie aus dem Staunen kaum noch heraus. Nach einem kurzen Stopp zum Schnorcheln segelten wir wieder in die Bucht von Le Marin und zeigten unseren Gästen mit dem Dinghy noch die traumhaften Flüsse durch die Mangrovenwälder.
Dann ging es für uns zum ersten Mal seit knapp zwei Monaten wieder in die Marina. Nachdem wir nun lange Urlaub gemacht und die kleineren Probleme am Boot vernachlässigt hatten, wurde es Zeit mal wieder eine „Werftzeit“ einzulegen. Wir mussten das AIS wieder instandsetzen, ein Takeling an der RollRef erneuern, das Dinghy flicken, einige andere Reparaturen vornehmen und vor allen Dingen unsere Batterien mal wieder vollständig mit Landstrom laden. Es ist faszinierend, dass wir fast zwei Monate völlig autark auf unserem Raumschiff leben konnten und erst jetzt wieder in die Marina mussten. Aber es wurde natürlich nicht nur gearbeitet. Wir hatten einen breiten Steg am Ende der Marina und neben uns lagen sonst nur Rennyachten (was natürlich ein angemessener Platz für die Comanche 32 Sport ist), die abends unbewohnt waren. So luden wir alle unsere neuen Segelfreunde aus Le Marin abends zum Grillen ein. Mit 5 Crews und 13 Leuten hatten wir mittlerweile echt viele Kontakte auf Martinique geknüpft, was uns natürlich auch beim Reparieren und Organisieren von Ersatzteilen sehr zu Gute kam. Das SUP wurde schnell zum Tisch umgebaut und unsere elektrische Herdplatte (es lebe der Landstrom!!) diente als Grill. Als auch noch die Franzosen mit drei weiteren Freunden dazukamen hatten wir eine echte Party! Den folgenden Tag wurde wieder repariert, bevor wir die Marina abends verließen und zu der versprochenen Hausparty bei den Franzosen fuhren. Und diese wurde absolut legendär. Mit über 20 Leuten tanzten und sangen wir die ganze Nacht, spielten Beerpong, schwammen im Pool und hatten so viel Spaß wie lange nicht mehr. Die Franzosen gaben uns den ehrenhaften Spitznamen „The Vikings“. Drei Monate ohne Friseur oder richtige Rasur hatten sich wohl doch sehr bemerkbar gemacht. Während uns von zuhause die Nachrichten über Kontaktbeschränkungen auf bis zu eine Person pro Haushalt erreichten, konnten wir hier wegen der geringen Coronazahlen ohne Weiteres jeden Abend eine Party schmeißen! Wieder einmal hatte sich die lange diskutierte Entscheidung trotz Corona in unser Abenteuer aufzubrechen vollkommen ausgezahlt. Und die Woche gab es neben den neuen Freundschaften auch viele andere Gründe zu feiern. Die Reparaturen gingen trotz einiger Rückschläge gut voran und Dorian und Lukas von der Double Twenty hatten ihren zwanzigsten Geburtstag.
Nach den vielen Partytagen verbrachten wir noch ein paar ruhigere Tage in der Bucht vor Le Marin. Natürlich legten wir uns nicht ganz normal vor Anker, sondern gingen bei der Double Twenty längsseite und hatten so eine richtig coole WG aus zwei Booten zusammen. Wir machten noch eine Wanderung und einen Grillabend am Ufer, bevor wir beschlossen gemeinsam weiter Richtung Guadeloupe zu segeln. So stachen wir Sonntagmittag mit Kurs auf Marie-Galante (eine kleinere, Guadeloupe vorgelagerte Insel) in See. Der Wind ist mit 25 Knoten etwas strammer vorausgesagt und wir werden die ersten Meilen gegen ihn anfahren müssen. Trotzdem freuen wir uns sehr nun endlich weiterzukommen und noch mehr von der Karibik entdecken zu können.
Als nächstes werden wir euch dann von unserem kurzen Aufenthalt auf Guadeloupe berichten, bevor es aller Voraussicht nach weiter nach Curacao geht. Bis dahin wünschen wir euch in der Heimat alle Kraft für diese zermürbende Zeit und stehen zumindest was die Frisuren angeht Seite an Seite mit euch!
The Vikings
Andre, Niclas & Rene
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