US-Virgin Islands

Die Sonne strahlte, der Wind blies mild von achtern und die Wellen schoben uns sanft gen Westen. Zwar wurde Ele bei ihrem allerersten Segeltörn am Anfang etwas seekrank, doch das legte sich schnell und am zweiten Tag genossen wir alle die Sonne auf der Vorschiff-Lounge. Wir mussten erneut nur die große Genua ausrollen und kamen so zügig voran, dass wir Christiansted auf Saint Croix entgegen unserer Pläne bereits Montagnacht erreichen konnten. Die letzten Meilen gestalten sich zu einer kleinen Regatta. Bereits am Abend konnten wir die Double Twenty, der wir auf Guadeloupe 8 Stunden Vorsprung gelassen hatten, auf dem AIS wiederentdecken und wollten den Anker unbedingt vor ihnen fallen lassen. Für ein modernes Land war die enge Einfahrt in die Ankerbucht ziemlich schlecht ausgetont und die spärlich gesetzten Tonnen waren nicht einmal beleuchtet. Die Ankunft hatten wir uns deutlich einfacher vorgestellt, aber der Suchstrahler leistete uns gute Dienste und wir kamen ohne größere Schwierigkeiten zu unserem Ankerplatz. Nach einem geübten Ankermanöver beendeten wir die 240 Meilen Etappe knapp vor den Jungs von der Double Twenty. Noch in der Nacht kümmerten wir uns um die elektronische Anmeldung bei den Customs, was ohne Internetflatrate, die wir auf Guadeloupe mit unseren EU-Simkarten noch hatten, gar nicht so einfach war.


Am nächsten Morgen ging es mit dem Taxi zum Flughafen, um die Einklarierung abzuwickeln. Dort nahm unsere Reise eine völlig neue Wendung. Die Customs sagten uns, dass unser elektronisches ESTA-Visa bei der Einreise mit einem privaten Segelschiff nicht ausreichen würde. Über eine Woche hatten wir auf Guadeloupe damit verbracht, uns über die Einreisebestimmungen und Coronabeschränkungen in den USA zu informieren. Fünf verschiedene Ansprechpartner teilten uns dabei mit, dass ein negativer Coronatest und ein ESTA für die Einreise ausreichen würden. Nun standen wir am Flughafen und unsere Optionen waren ein Visum für knapp 600 USD pro Person zu beantragen oder die USA binnen der nächsten 12 Stunden wieder zu verlassen, um nicht in Abschiebehaft genommen zu werden. Einmal illegal in die USA einreisen konnten wir damit von unserer Bucketlist streichen. Das Land, das sich selber als „Home of the Brave“ sieht und maßgeblich von Einwanderern aufgebaut wurde, scheint große Angst vor Fremden zu haben. Die aberwitzigen Bestimmungen – so erklärte man uns – würden es uns jedoch erlauben, mit einer kommerziellen Fähre in die USA einzureisen, unseren Pass abstempeln zu lassen und dann mit dem privaten Schiff zurückzukommen. Die einzigen Inseln von denen aus das für die US-Virgin-Islands möglich ist, die British Virgin-Islands, waren jedoch wegen Corona gesperrt. Da wir keine 600 USD für das Visum ausgeben wollten, blieb uns nur die Möglichkeit in Windeseile neue Pläne zu machen und weiter zu segeln. Gegen zwei Uhr nachmittags kamen wir vom Flughafen wieder am Hafen an und suchten uns eine Bar mit Wifi, um uns neu aufzustellen. Wir loteten alle unsere Möglichkeiten aus und trafen dabei immer wieder auf dasselbe Problem: Die meisten anderen Länder auf unserer Route setzten für die Einreise einen negativen PCR voraus. Einen solchen innerhalb von 12 Stunden auf den US-Virgin Islands zu bekommen war aber schlicht unmöglich. Andre versuchte daher erneut bei den Customs anzurufen, die ihm zwar wiederum eine Absage erteilten, uns aber den Tipp gaben, dass die Einreisebeschränkungen in der nur 250 Meilen entfernten Dominikanischen Republik recht mild seien. Wir recherchierten weiter im Internet und kamen tatsächlich zu dem Schluss, dass die DomRep die beste Option für uns ist. Am Ende eines wirklich nervenaufreibenden und stressigen Tages bäumten wir uns noch einmal gegen die Müdigkeit auf und setzten die Segel, um innerhalb der nächsten beiden Tage hoffentlich unseren Safe Harbour in der DomRep zu finden.


Erneut wurden unsere Pläne völlig über den Haufen geworfen. Keine Neuheit für uns und mittlerweile gehört die rasche Improvisation zu unserem Handwerkzeug. Gerade die tägliche Ungewissheit ist ein Reiz, der unser Abenteuer ausmacht. Morgens nicht zu wissen, wo man abends schlafen wird, hat seinen ganz eigenen Charme. Diese Nacht werden wir entgegen jeder Erwartung wieder auf hoher See unter den Sternen verbringen. Und auch unsere beiden Begleiterinnen, Ele und Danae, verstehen nun immer mehr, was ein Leben auf See bedeutet. Eigentlich wollten sie von den Virgin Islands zügig weiter nach Miami. Nun setzen die beiden ihre Reise vorerst mit uns fort und hoffen von der DomRep aus einen Flug in die USA nehmen zu können.


Wie es mit unserem Abenteuer weitergeht berichten wir euch als nächstes aus der DomRep. Doch eines ist Gewissheit: Der Wind hat uns bis hierher getragen und er wird uns auch noch viel weiter bringen. Auch in unserer Heimat kämpfen gerade viele Menschen mit großer Ungewissheit. Natürlich sind unsere Situationen kaum vergleichbar, aber Ungewissheit ist nicht immer negativ und wer lernt, aus jeder Lage das Beste zu machen und immer weitergeht, wird früher oder später vom Leben belohnt werden!


Ahoi

Andre & Niclas

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